LG Dortmund: Wer (extrem) zu schnell fährt, der bleibt auf einem Großteil der Kosten sitzen

Mit Urteil vom 07.01.2014 – Az. 21 O 359/12 – hatte das LG Dortmund einen Fall zu entscheiden, in dem der Beklagte auf der Autobahn mit seinem Fahrzeug ohne Blinker unvermittelt die Spur nach links wechseln wollte und damit den auf der linken Spur herannahenden Kläger zwang, eine Vollbremsung zu vollziehen und ebenfalls nach links auszuweichen, wo er mit einem Baustellenpfosten kollidierte.

Grundsätzlich trägt in einem solchen Fall der gegen § 7 V StVO verstoßende Spurwechsler die volle Haftung (vgl. Burmann/Heß/Jahnke/Janker, StVR, § 7 StVO Rn. 25). Hierfür gilt auch ein Anscheinsbeweis.

Das wollte der Kläger in diesem Fall auch durchsetzen und fiel dabei etwas unsanft auf die Nase. Denn er selbst war statt der erlaubten 100 km/h mit mindestens 165 km/h unterwegs, als er die Vollbremsung eingeleitet hat. Das war für das LG Dortmund Anlass, ihm 70% der Haftung zuzusprechen, da der Unfall bei eingehaltener Geschwindigkeitsbegrenzung vermieden hätte werden können.

Oder, um es mit dem Gericht zu sagen:

In der Abwägung hat der Verkehrsverstoß des Klägers das deutliche Übergewicht. Schon das reine Maß der Geschwindigkeitsüberschreitung von hier 65% gegenüber der erlaubten Geschwindigkeit spricht für sich.

Fazit:
Wer selbst grob rücksichtslos Geschwindigkeitsbegrenzungen missachtet, der muss die Konsequenzen auch dann großteils tragen, wenn ein Anderer einen groben Fehler macht.

“Keine Ahnung, wieso die das so aufgeschrieben haben…”

Kurze Beweisaufnahme beim AG Ebersberg um die Ecke. Ein Autofahrer will Schadensersatz und Schmerzensgeld von unserer Mandantin.

Der Sachverhalt:

Fahrerin des Beklagtenfahrzeugs geht im August 2013 ohne Vorwarnung das Benzin aus, sie muss ihr weißes Fahrzeug auf der Landstraße gegen 15:00 Uhr unter einer Brücke abstellen. Weil ihr Warndreieck fehlt, befestigt sie eine Warnweste 100 Meter vom Auto entfernt, schaltet die Warnblinker ein und lässt sich dann von einem vorbeikommenden Fahrer zur nächsten Tankstelle mitnehmen. Bis sie alles erledigt hat und jemanden hat, der sie zurückfährt, ist es kurz nach fünf. Als sie zurückkommt, staunt sie nicht schlecht, dass ihr jemand ins Auto gefahren ist, nachdem über eine Stunde lang alle Autofahrer ohne Probleme die Gefahr erkannt hatten und ausgewichen sind.

Der rammende Autofahrer behauptet nun, das Fahrzeug sei ungesichert, ohne Warnblinklicht gestanden, und sei – obwohl weiß im Schatten einer Brücke – auch nicht erkennbar gewesen.

Nachdem die Fahrerin bereits die Sachlage geschildert hat und ein weiterer Zeuge angegeben hat, dass er auch ein Fahrzeug mit Warnblinker gesehen hat, kam vom Zeugen Nummer drei die Aussage, schriftlich, er habe keinen Warnblinker gesehen. Weil er bei der Polizei aber genau das Gegenteil gesagt hat, musste er persönlich anreisen.

Der Zeuge kam und wiederholte, dass er keinen Warnblinker gesehen habe. Auch das Fahrzeug habe er als solches nicht erkannt, sondern nur irgendwas reflektierendes.

Auf die Widersprüche zu seiner polizeilichen Aussage angesprochen – immerhin direkt nach dem Unfall gemacht – antwortet er nur, dass er das nicht so gesagt habe. Er habe “keine Ahnung, wieso die das so aufgeschrieben haben…”

Das kann noch spannend werden.

Wieso wohl nur…

Unser Vortrag:

Die von den Solarmodulen der Beklagten reflektierte Sonnenstrahlung ist so stark, dass die Kläger die Räumlichkeiten [zu bestimmten Zeiten] nicht mehr nutzen können.

Klageerwiderung:

Die Kläger haben eh die ganze Zeit die Jalousien geschlossen.

 

“Früher, als die Gummistiefel noch aus Holz waren, da war alles besser”

So ähnlich muss der Sachbearbeiter der Haftpflichtversicherung gedacht haben, als er unter Bezugnahme auf eine Entscheidung von 1989 das Schmerzensgeld mit 6.500,00 € berechnet hat. Die von uns benannten Entscheidungen, die allesamt (weitaus) aktueller waren, hat er geflissentlich ignoriert, wohl weil er gesehen hat, dass die Gerichte für ähnliche Schäden mittlerweile weitaus höhere Schmerzensgeldbeträge für angemessen erachten, im vorliegenden Fall ca. das Dreifache des Betrags, den die Versicherung berechnet hat.

(Für diesem Fall passend hat das OLG Naumburg im vor Kurzem erwähnten Urteil vom 10.07.2014 – Az. 2 U 101/13 – gerade erst ausdrücklich geurteilt, dass die Auskehrung eines Drittels des zustehenden Schmerzensgelds die Zufügung weiteren Leides darstellt)

In einem weiteren Akt der Genialität(?) hat der Sachbearbeiter dann auch noch die Fahrtkosten für Besuche im Krankenhaus gestrichen, weil ja bereits ein Elternteil dauerthaft dort war und unsere minderjährige Mandantin somit gegen die Schadensminderungspflicht verstoßen habe, wenn sie auch vom anderen Elternteil und ihren Geschwistern besucht werden wollte.

OLG Naumburg: Verzögert der Haftpflichtversicherer die Regulierung ungebührlich, so ist das Schmerzensgeld erheblich zu erhöhen

Mit Urteil vom 10.07.2014 – Az. 2 U 101/13 – hat das OLG Naumburg (bisher nur bei beck-online unter BeckRS 2014, 16163 veröffentlicht) bestätigt, dass auch das Regulierungsverhalten des Haftpflichtversicherers bei der Bemessung des Schmerzensgeld eine (entscheidende) Rolle spielt.

Im entschiedenen Fall ergab sich eine (Teil-)Schmerzensgeldsumme von 150.000 €, die erheblich über dem eigentlich auszuurteilenden Betrag lag. In Fortführung der Rechtsprechung anderer OLGs hat das OLG Naumburg die Verzögerungstaktik der Haftpflichtversicherung bei der Regulierung als ganz erheblich das Schmerzensgeld erhöhendes Kriterium gewertet.

So das Gericht in seiner Urteilsbegründung:

e) aa) Das Schmerzensgeld ist aufgrund der vorgenannten Umstände mit 150.000,00 Euro zu bemessen. Eine Vergleichbarkeit mit dem vom Landgericht angeführten Urteil des Oberlandesgerichts Nürnberg (Urteil vom 25.04.1997, VersR 1998, 732) ist gegeben. Aber auch eine Vergleichbarkeit mit dem Sachverhalt, welcher der von der Beklagten selbst vorgelegten Entscheidung des Oberlandesgerichts Brandenburg (Urteil vom 23.06.2011, 12 U 263/08, Schaden-Praxis 2011, 361) zugrunde gelegen hat, ist anzunehmen. Allerdings ist, worauf die Klägerin zutreffend hinweist, in dieser Entscheidung allein deshalb auf ein Schmerzensgeld von nur 75.000,00 Euro erkannt worden, weil sich die dortige Geschädigte ein hälftiges Mitverschulden hat anrechnen lassen müssen.

bb) Zwar ist zu berücksichtigen, dass die Klägerin, anders als in den von den Oberlandesgerichten Nürnberg und Brandenburg entschiedenen Rechtsstreiten, in denen eine 34-jährige Frau bzw. ein 38-jähriger Mann geschädigt worden waren, und auch anders als in der von der Beklagten zitierten Entscheidung des Oberlandesgerichts Hamm, bei der es um den Unfall eines 16-Jährigen ging (Urteil vom 25.09.2002, 13 U 62/02, DAR 2003, 118), im Unfallzeitpunkt bereits 66 Jahre alt war. In diesem Zusammenhang hat der Bundesgerichtshof es als sachgerechtes Kriterium benannt, dass ein verhältnismäßig alter Geschädigter (dort 73 Jahre alt) keinen so langen Leidensweg vor sich habe wie ein jüngerer Mensch und dass deshalb bei ihm im Verhältnis zu einem jungen Verletzten ein geringerer Schmerzensgeldbetrag angemessen ist (Urteil vom 15.01.1991, BGH VI ZR 163/90, NJW 1991, 1544).

cc) Dies führt im Ergebnis aber deshalb zu keiner anderen Bemessung des Schmerzensgeldes, weil aufgrund des zögerlichen Regulierungsverhaltens der Beklagten ein erheblicher Schmerzensgeldaufschlag gerechtfertigt ist, der den vorgenannten, wegen des Alters der Klägerin vorzunehmenden „Abzug“ vollständig ausgleicht (vgl. zu diesem Schmerzensgeld erhöhenden Kriterium: OLG Nürnberg, Urteil vom 22.12.2006, 5 U 1921/06; OLG Naumburg, Urteil vom 28.11.2001, 1 U 161/99 sowie Urteil vom 15.10.2007, 1 U 46/07, jeweils zitiert nach juris; OLG Köln, Urteil vom 09.08.2013, 19 U 137/09, NJW-Spezial 2014, 75).

[…]

Die Beklagte kann sich nicht auf – an sich zulässiges – Verteidigungsvorbringen berufen. Soweit sie auch in diesem Zusammenhang die Verletzungen und deren Folgen in Abrede gestellt, kann dem, wie ausgeführt, keine Bedeutung beigemessen werden. Es stand vielmehr fest, dass die Klägerin bei dem Unfall erheblich verletzt worden ist. Diese Verletzungen machten schon für sich genommen die Zahlung eines nicht unerheblichen Schmerzensgelds erkennbar erforderlich. Dass die Beklagte dennoch lediglich ca. ein Drittel des der Klägerin zustehenden Schmerzensgeldes ausgekehrt hat, stellte für diese eine Manifestierung der bereits erlittenen Schmerzen, aber auch die Zufügung weiteren Leides dar. Denn aufgrund des Nichterhalts des ihr erkennbar zustehenden Schmerzensgeldes ist es ihr über viele Jahre hinweg nicht möglich gewesen, sich die Annehmlichkeiten zu verschaffen, die die von ihr erlittenen Schmerzen zumindest teilweise hätten ausgleichen können. Darüber hinaus hat es der Klägerin bereits nach der Lebenserfahrung weiteres Leid verschafft, dass sie sich aufgrund der von der Beklagten vorgenommenen Verteidigungsstrategie, die von einem Bestreiten auch offensichtlich von der Klägerin wahrheitsgemäß vorgetragener Tatsachen, wie etwa der eingetretenen Verletzungen, geprägt gewesen ist, dem Anschein einer Simulantin ausgesetzt gesehen hat, der es allein um die Erlangung eines hohen – unberechtigten – Schmerzensgeldes gehe.

Angesichts der klaren Linie der OLGs in den letzten Jahren wird zu hoffen sein, dass die Haftpflichtversicherer in Zukunft – um höhere Schmerzensgeldzahlungen zu vermeiden – nicht mehr versuchen werden, eindeutig gegebene Ansprüche mit Händen und Füßen abzuwehren.

OLG München: Mithaftung des Vordermanns bei Auffahrunfall wegen zu geringen Sicherheitsabstand zum Vordervordermann

Zeichen 273 der StVO: SicherheitsDer Titel klingt kompliziert, der dem Schlussurteil vom 14.08.2014 – 10 U 1189/14 des OLG München (bisher nur bei beck-online unter BeckRS 2014, 16350 veröffentlicht) zugrundeliegenden Sachverhalt ist aber an sich recht einfach:

Auf dem Mittleren Ring in München, einer über die Stadtgrenzen hinaus bekannten Staufalle, war mal wieder stockender Verkehr. Der Beklagte fuhr mit 30-40 km/h seinem Vordermann mit einem Abstand von ca. 3 m hinterher, hielt also “leicht” weniger Sicherheitsabstand als eigentlich vorgeschrieben (15-20 m bei der Faustformel “halber Tacho” bzw. 8-11m bei der Faustformel “Strecke, die in 1 s zurückgelegt wird”). Sein Vordermann musste bremsen, weshalb der Beklagte eine Vollbremsung vollzog. Der Kläger fuhr ihm daraufhin auf.

Das LG München I hat dem Kläger mit Endurteil vom 26.02.2014 – Az. 19 O 23421/13 – die volle Haftung wegen der Anscheinsvermutung, dass der Auffahrende grds. allein Schuld trägt, auferlegt (vgl. BGH NZV 2007, 354)

Dies hat das OLG München so nicht stehen lassen wollen und dem Beklagten eine Mitschuld von 20 % zugesprochen, weil der Beklagte nur deshalb voll bremsen musste, weil er seinerseits den Sicherheitsabstand zu seinem Vordermann nicht eingehalten hat. Hätte er dies getan, so die Feststellungen des Gerichts, so wäre die Vollbremsung nicht erforderlich gewesen.

Auch in diesem Fall zeigt es sich, wie wichtig es ist, den Sicherheitsabstand einzuhalten. Dass viele Leute hierzu nicht in der Lage sind, erstaunt mich jeden Tag wieder aufs Neue.

Nachforschung à la DHL

Ich hatte ja berichtet, dass DHL behauptet hatte, mir ein Paket ausgeliefert zu haben, welches ich nie bekommen habe.

In Zeiten des Internets habe ich das letzte Woche sodann per E-Mail und Twitter reklamiert. Letzte Woche Donnerstag erreichte mich dann schon ein Anruf aus Bonn, wonach man mir mitteilte, dass für das Paket unleserlich unterschrieben worden sei. Die Unterschrift könne man mir nicht geben, da müsse der Versender einen Nachforschungsauftrag stellen.

Auf meinen Tweet kam heute ein Anruf eines anderen Mitarbeiters von DHL. Er konnte weitgehend nur wiederholen, was mir am Donnerstag schon mitgeteilt wurde, mit einer Ausnahme: Innerhalb von 3-4 Tagen (also jetzt nicht mehr) könnte man den Paketboten kontaktieren und nachfragen, was er denn gemacht hat. Wieso der Kollege am Donnerstag das nicht veranlasst hat, wisse er aber nicht.

Ich solle doch mal meine Nachbarn (allein 13 Parteien in meinem Haus!) fragen, ob wer das Paket angenommen hat, vielleicht mit nem Aushang im Flur. So kann man seine Zustellungspflichten auch abwälzen..

“Falsches Toilettenpapier”

Rechtsstreit vor dem Amtsgericht, die Parteien, Vermieter und Mieter, stritten, wie so oft, darum, ob ein Mangel vorliegt, wer daran schuld sei und – wichtig – wer bezahlen muss. Im konkreten Fall waren die Toiletten in einem Gewerberaum verstopft, mit der Folge, dass die Abwässer nun in die Toilettenräume abflossen, was den Mieter gar nicht erfreute, der dem Vermieter den Mangel angezeigt und dann die Miete gemindert hat.

Im Rechtsstreit trug der Vermieter nun vor, der Mieter sei doch selbst schuld an der Verstopfung, weil er u.a. das “falsche Toilettenpapier” verwendet habe.

Was leider nicht erwähnt wird, ist, wie Toilettenpapier, also ein Produkt, das seiner Bestimmung nach heruntergespült werden soll, “falsch” sein kann.

Da das Verfahren mit einem Vergleich endete, musste das Gericht diese Frage im Endeffekt nicht entscheiden. Schade eigentlich. Auf die Erörterungen hierzu im Urteil wäre ich gespannt gewesen… =)

DHL behauptet, mir persönlich Pakete gegeben zu haben

Ich hab – wie man das so macht in diesen modernen Zeiten – mal was online bestellt. Lieferung per DHL, heute irgendwann, kein Problem. Als ich dann von der Arbeit heim kam, war da kein Paket. Auch nix im Briefkasten. Macht nix, denk ich mir, wird halt morgen kommen. Man kann ja – moderne Zeiten und so – per Sendungsverfolgung schnell herausfinden, wo das Paket denn ist. Gesagt, getan, nicht schlecht gestaunt. Denn DHL behauptet steif und fest, das Paket sei ausgeliefert. Und zwar an mich. Persönlich.

dhl-2014-08-06Um 14:50 Uhr also, wo ich – durch Zeugen belegbar – 30km Luftlinie im Büro gesessen und gearbeitet hab.

Als Jurist frage ich mich natürlich zuallererst wie die rechtliche Situation aussieht.

Zivilrechtlich dürfte es einfach sein: Mein Anspruch gegen den Verkäufer besteht bis ich das Paket tatsächlich bekomme. Wenn DHL es sonstwo hinbringt, dann muss der Verkäufer dafür sorgen, dass DHL es zu mir bringt.

Interessant ist, ob ein solches Verhalten nicht auf strafrechtlich relevant sein könnte. Würde der Paketbote auf einem Zettel für mich unterschreiben, dass ich das Paket bekommen habe, dann wäre das relativ eindeutig eine Urkundenfälschung (§ 267 StGB). Nur hat der Paketbote ja kein Papier mehr, sondern ein kleines Gerät, auf dem man den Empfang der Sendung mit einer Unterschrift bestätigen soll. Spontan würde mir hierfür der § 269 StGB einfallen. Dann ist jedoch die Frage: Hat er für mich in meinem Namen oder in seinem Namen unterschrieben? In ersteren Fall wird ein Speichern falscher beweiserheblicher Daten zu bejahen sein, da es sich ja (bei Papier und Stift) um eine gefälschte Urkunde handeln würde. In letzteren Fall wäre es wohl nur ein Fall einer schriftlichen Lüge, wenn er quasi bestätigt, er habe das Paket mir übergeben. Dann wäre natürlich eine Prüfung des § 263 StGB gegenüber dem Verkäufer anzudenken, wenn damit vorgetäuscht werden soll, dass die Lieferung erfolgt ist und somit keine Schadensersatzansprüche bestünden.

Nur bei der Suche nach meinem Paket hilft mir das auch nix… :-/

BGH: (Noch) keine Helmpflicht durch die Hintertür

Der BGH hat mit Urteil vom heutigen Tage (Az. VI ZR 281/13Pressemitteilung) entschieden, dass eine innerorts normal fahrende Radfahrerin kein Mitverschulden trifft, wenn sie aufgrund fehlenden Helms Kopfverletzungen erleidet. Das Gericht hob damit eine anderslautende Entscheidung des OLG Schleswig vom 05.06.2013 – Az. 7 U 11/12 – auf, in der der Klägerin ein Mitverschulden von 20% angerechnet wurde.

Der BGH führt hierzu in seiner Pressemitteilung aus:

Zwar kann einem Geschädigten auch ohne einen Verstoß gegen Vorschriften haftungsrechtlich ein Mitverschulden anzulasten sein, wenn er diejenige Sorgfalt außer acht lässt, die ein ordentlicher und verständiger Mensch zur Vermeidung eigenen Schadens anzuwenden pflegt. Dies wäre hier zu bejahen, wenn das Tragen von Schutzhelmen zur Unfallzeit nach allgemeinem Verkehrsbewusstsein zum eigenen Schutz erforderlich und zumutbar gewesen wäre. Ein solches Verkehrsbewusstsein hat es jedoch zum Zeitpunkt des Unfalls der Klägerin noch nicht gegeben. So trugen nach repräsentativen Verkehrsbeobachtungen der Bundesanstalt für Straßenwesen im Jahr 2011 innerorts nur elf Prozent der Fahrradfahrer einen Schutzhelm.

Wie man der Formulierung des BGH entnehmen kann, ist man beim höchsten deutschen Zivilgericht nicht der Meinung, dass die Annahme einer Helmpflicht trotz Fehlen einer gesetzlichen Regelung, quasi “durch die Hintertür”, grundsätzlich unmöglich ist. Vielmehr kommt es für den BGH auf das allgemeine Verkehrsbewusstsein an.

Sollte also in einigen Jahren die überwiegende Mehrheit der Radfahrer einen Helm – auch ohne Pflicht – tragen, so wird ein Mitverschulden derjenigen, die keinen Helm tragen, möglicherweise anders zu bewerten sein.