Chefarzt-Fall geht in die nächste Runde: Diesmal zum EuGH

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Der Fall eines von der katholischen Kirche gekündigten Chefarztes, der es gewagt hatte, sich nochmals zu verheiraten, beschäftigt nun ein weiteres Gericht. Nachdem der Chefarzt gegen die Kündigung geklagt hatte, hatte er von allen Instanzen, zuletzt vom BAG mit Urteil vom 8.9.2011 – Az. 2 AZR 543/10, Recht bekommen, bevor das Bundesverfassungsgericht die Entscheidung kassiert und die Sache an das BAG zurückverwiesen hat.

Der 2. Senat des BAG hat in der zweiten Runde nun mit Beschluss vom 28.07.2016 – Az. 2 AZR 746/14 (A) – entschieden (Pressemitteilung), die Sache vorerst nicht selbst zu entscheiden, sondern dem EuGH gem. Art. 267 AEUV folgende Fragen vorzulegen:

1. Ist Art. 4 Abs. 2 Unterabs. 2 der Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf (RL 2000/78/EG) dahin auszulegen, dass die Kirche für eine Organisation wie die Beklagte des vorliegenden Rechtsstreits verbindlich bestimmen kann, bei einem an Arbeitnehmer in leitender Stellung gerichteten Verlangen nach loyalem und aufrichtigem Verhalten zwischen Arbeitnehmern zu unterscheiden, die der Kirche angehören, und solchen, die einer anderen oder keiner Kirche angehören?

2. Sofern die erste Frage verneint wird:
a) Muss eine Bestimmung des nationalen Rechts, wie hier § 9 Abs. 2 AGG, wonach eine solche Ungleichbehandlung aufgrund der Konfessionszugehörigkeit der Arbeitnehmer entsprechend dem jeweiligen Selbstverständnis der Kirche gerechtfertigt ist, im vorliegenden Rechtsstreit unangewendet bleiben?
b) Welche Anforderungen gelten gemäß Art. 4 Abs. 2 Unterabs. 2 der RL 2000/78/EG für ein an die Arbeitnehmer einer Kirche oder einer der dort genannten anderen Organisationen gerichtetes Verlangen nach einem loyalen und aufrichtigen Verhalten im Sinne des Ethos der Organisation?

Bis zur Beantwortung ist das Verfahren beim BAG nun ausgesetzt. Und ein weiteres Gericht darf sich nun – europarechtlich – mit der Frage auseinandersetzen, ob die Kirchen wirklich Arbeitnehmer diskriminieren dürfen sollen, nur weil sie sich nicht ihren Vorstellungen konform im Privatleben verhalten. Bei allen anderen Arbeitgebern wäre eine solche Frage absurd, aber es gelten ja die Sonderrechte der Kirchen…

Wenn außer den Parteien keiner dabei war…

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Im Zivilprozess gilt grundsätzlich eine ganz einfache und eingängige Regel: Wer etwas vorträgt, das zu einem für ihn gewünschten rechtlichen Ergebnis führen soll, der muss dies auch beweisen. Dass das sinnvoll ist, dass weiß jeder gute Beamte, lautet doch Regel Nr. 3 des Beamten-Dreisatzes: “Da könnte ja jeder kommen!”.

Also muss die Partei eines der in der ZPO genannten Beweismittel benennen, nach dessen Erhebung das Gericht sich wie gewünscht überzeugt haben soll. Die häufigsten Beweismittel sind der Zeugenbeweis (zugleich der unzuverlässigste), der Augenschein und das Sachverständigengutachten.

Problematisch wird es für die beweisbelastete Partei – und in der Folge auch für ihren Anwalt – wenn, wie recht häufig, keine Beweismittel existieren außer die eigene Wahrnehmung der Partei und auch keine objektiven Tatsachen vorhanden sind, an die ein Sachverständiger anknüpfen könnte. Denn der Vortrag der Partei ist grundsätzlich nicht ausreichend, wenn der Gegner ihn bestreitet. Denn der Gegner kann in der Regel keinen Gegenbeweis führen, dass etwas gerade nicht geschehen ist.

Ganz unmöglich ist es jedoch nicht, die Partei wie einen Zeugen zu vernehmen. Hierzu hat der Gesetzgeber nämlich die Parteieinvernahme (§§ 447 ff. ZPO) geschaffen. So ist die Einvernahme einer Partei dann möglich, wenn dies beantragt wird und der Gegner ihr zustimmt. Das Ziel eines taktisch denkenden Anwalts wird daher immer sein, die Einvernahme der eigenen Partei zu erreichen und die Einvernahme der gegnerischen Partei zu verweigern.

Stimmt der Gegner nicht zu, so regelt § 448 ZPO, dass das Gericht die Einvernahme auch von Amts wegen “ohne Antrag einer Partei und ohne Rücksicht auf die Beweislast” durchführen kann, wenn “das Ergebnis der Verhandlungen und einer etwaigen Beweisaufnahme nicht ausreicht, um seine Überzeugung von der Wahrheit oder Unwahrheit einer zu erweisenden Tatsache zu begründen. Erforderlich ist daher, dass der Träger der Beweislast bereits einen Anfangsbeweis erbracht hat und eine gewisse Wahrscheinlichkeit für die zu beweisende Tatsache spricht (h. M.). Kann der Beweisbelastete also nicht einmal Anknüpfungspunkte beweisen, aus denen sich die Wahrscheinlichkeit für die zu beweisende Tatsache ergibt, so scheidet die Parteieinvernahme von Amts wegen aus (vgl. LAG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 15.05.2002 – Az. 10 Sa 69/02).

Erforderlich ist zusätzlich, dass die Tatsache, der zu beweisen ist, möglichst genau substantiiert wird. Denn wenn es zu einer Parteieinvernahme kommt, trägt der Gegner nun die Beweislast dafür, dass der Vortrag unwahr ist. Einen Negativbeweis zu führen ist jedoch in der Regel nur dann möglich, wenn nachgewiesen werden kann, dass die Behauptung gar nicht zutreffen kann. Hierzu ist aber erforderlich, zu wissen, wann wie wo was genau geschehen sein soll.


An diesen Hürden dürfte in dem Fall, der mich gestern zum Arbeitsgericht geführt hat, die Gegenseite scheitern.

Es ging, wie so oft, um die Frage, ob eine Kündigung übergeben wurde oder nicht. Die Gegenseite sagt: Ja, aber die Parteien waren unter sich. Unser Mandant sagt: Nein, eine Übergabe gab es nicht. Beweisangebot für die Übergabe? Die Einvernahme des Geschäftsführers der Gegenseite.

Im Termin zur Güteverhandlung (2. Runde) wurde der Geschäftsführer befragt, wann denn die Übergabe stattgefunden haben soll. Das wisse er nicht mehr, das merke er sich doch nicht. Weder den Tag konnte er genau sagen (“müsste der Tag gewesen sein”), noch die Uhrzeit. Nur dass der Mandant zu ihm ins Büro gekommen sei. Was aber auch häufig geschehen ist, weshalb dies sicher keinem Kollegen aufgefallen sein dürfte. Den Kollegen habe er von der Kündigung auch erst Wochen später berichtet – nachdem schon Kündigungsschutzklage erhoben war.

Das Gericht hat folgerichtig zu erkennen gegeben, dass es keine Grundlage für die Parteieinvernahme erkennen kann. Das hat leider nicht gereicht, um den Geschäftsführer zu einem Vergleich zu bewegen. Dann wird es halt voraussichtlich deutlich teurer für ihn. Freut den Mandanten auch.

Ab 01.10.2016 ist es (fast) aus mit der verpflichtenden Schriftform in AGB

contract-1464917_640Viele allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB) enthalten Klauseln, wonach Erklärungen nur dann wirksam sein sollen, wenn sie schriftlich (also handschriftlich geschrieben und/oder unterzeichnet) abgegeben werden. Insbesondere in Arbeitsverträgen sind im Rahmen von sog. Ausschlussfristen Regleungen enthalten, wonach Ansprüche verfallen, die nicht binnen X Monaten schriftlich geltend gemacht wurden.

Die Zulässigkeit solcher Klauseln ergibt sich bisher aus § 309 Nr. 13 BGB, der zurzeit so lautet:

13.
(Form von Anzeigen und Erklärungen)

eine Bestimmung, durch die Anzeigen oder Erklärungen, die dem Verwender oder einem Dritten gegenüber abzugeben sind, an eine strengere Form als die Schriftform oder an besondere Zugangserfordernisse gebunden werden;

Jetzt schon sind solche Klauseln z. B. dann unzulässig, wenn eine Schriftform gefordert wird für bestimmte Erklärungen (Kündigungen etc.), während der Vertrag selbst formlos geschlossen werden kann und geschlossen wurde (so z. B. OLG München MMR 2015, 186). Ist der Vetrag jedoch schriftlich geschlossen, so sind solche Klauseln bisher unzweifelhaft zulässig.

Dies ändert sich zum 01.10.2016. Wie der CMS-Blog hinweist, gilt ab dann der neue § 309 Nr. 13 BGB, der dann wie folgt lautet:

13.
(Form von Anzeigen und Erklärungen)
eine Bestimmung, durch die Anzeigen oder Erklärungen, die dem Verwender oder einem Dritten gegenüber abzugeben sind, gebunden werden

a)
an eine strengere Form als die Schriftformschriftliche Form in einem Vertrag, für den durch Gesetz notarielle Beurkundung vorgeschrieben ist oder

b)
an eine strengere Form als die Textform in anderen als den in Buchstabe a genannten Verträgen oder

c)
an besondere Zugangserfordernisse gebunden werden;

Ausreichen muss und darf also nur noch die sog. Textform (§ 126b BGB), also jede verkörperte oder verkörperbare Erklärung eines Texts (Fax, E-Mail etc.), es sei denn, der Vertrag muss – wie z. B. bei einem Grundstückskauf – notariell beurkundet werden. Neu ist mit Buchstabe c) auch, dass keine besonderen Zugangserfordernisse mehr gefordert werden dürfen.

Anwendung findet die Vorschrift gem. Art. 229 § 37 EGBGB auf alle Verträge, die nach dem 30.09.2016 geschlossen werden. Aktuelle Verträge sind also nicht betroffen, jedoch muss jeder, der einen Vertrag mit einer solchen Klausel ab dem 01.10.2016 schließen will, hierauf achten.

Erforderlich war die Änderung nicht, denn § 127 II BGB sieht ohnehin schon vor, dass die vereinbarte Schriftform durch die Textform ersetzt werden kann. Wird nun jedoch weiterhin Schriftform gefordert, so kann sich der AGB-Verwender nicht auf diese Vorschrift berufen, sondern alle Erklärungen sind dann – wegen des Verbots geltungserhaltender Reduktion – formlos möglich. Dies wird in der Praxis hauptsächlich zu Beweisproblemen führen.

Erklärtes Ziel des Gesetzgebers (vgl. BT-Drucksache 18/4631, S. 17 f.; BR-Drucksache 55/15, S. 15) war es übrigens, Fälle zu erfassen, in denen gerade im Online-Handel (vgl. OLG München a. a. O.) für den Vertragsschluss eine geringere Form erforderlich war wie für die Kündigung o. ä. Das Problem hätte jedoch einfacher gelöst werden, wenn man einfach Klauseln verboten hätte, die für gleich wichtige Willenserklärungen (z. B. Vertragsschluss und Kündigung) verschiedene Formerfordernisse stipulieren. Die jetzt getroffene Regelung schießt über das Ziel hinaus und wird gerade in Fällen schriftlicher Verträge dazu beitragen, dass vielmehr Beweisprobleme entstehen.

Klageerhebung prae­cox

Wer unter dem medizinischen Problem leidet, dass der Arzt als Ejaculatio praecox kennt, der (und dessen Partner/in) ist oft zu bemitleiden. Da wird vorzeitig etwas verpulvert, wo doch der spätere “Schuss” für alle viel befriedigender wäre.

Auch manche Kollegen (und/oder deren Mandanten) scheinen unter eine Variation dieses Problems zu leiden, welches ich “Klageerhebung praecox” getauft habe. Es ist das Problem, zwanghaft Klage erheben zu müssen, obwohl die Gegenseite zu einer außergerichtlichen Lösung bereit ist, keine Ausschluss- oder Verjährungsfristen zur Klage zwingen und der Gesetzgeber im RVG die außergerichtliche vergleichsweise Beilegung mit höheren Gebühren belohnt.

So auch in einer arbeitsgerichtlichen Klage, die mir auf dem Tisch liegt:
3 Wochen nach Ende des Arbeitsverhältnisses machte der ehemalige Arbeitnehmer eine Reihe von Beträgen geltend, die der Mandant bei besten Willen nur zum Teil nachvollziehen konnte. Wir schreiben dem gegnerischen Kollegen also umgehend zurück, dass manche Beträge so nicht stimmen, andere zugestanden werden und für den Rest um Erklärung gebeten werde. Dann werde der Mandant die offenen Beträge auch sicher auszahlen. Es folgt erstmal: nichts.

Nach einem Monat wird dem Mandanten die Klage zugestellt, die leider weiterhin nicht nachvollziehbar Beträge in den Raum wirft, aber der dankenswerterweise unseren Schriftsatz beiliegt (Substantiierung ade). Jetzt muss das Gericht halt fragen, wie der Gegner auf die Beträge kommt. Auch wenn Rosenheim ganz nett ist, den Ausflug dorthin hätte man sich eigentlich sparen können…

Gefühlsgesteuerte Holzhammerresistenz

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In dem hier beschriebenen Fall ist mittlerweile die Kündigung des Arbeitgebers – aus dessen Sicht natürlich berechtigt – erfolgt. Man traf sich also beim Arbeitsgericht zur (zweiten) Güteverhandlung mit Geschäftsführer der Arbeitgeberin und dem Mandanten persönlich, damit das Gericht in seiner Weisheit eine salomonische(?) Lösung finden kann.

Die Gegenseite zeigte sich einigungsbereit. Der Mandant könne bis 31.12.2015 weiterbeschäftigt werden, bekomme sein volles Gehalt von 4.000,00 € weiterhin, werde aber ohne Anrechnung von etwaigen Verdienst unwiderruflich freigestellt. Man sei also bereit, insgesamt 24.000,00 € fürs Nichtstun zu bezahlen. Der seit 10 Jahren beschäftigte und 5 Jahre vor der Rente stehende Mandant ist bereit, zum 31.07.2015 zu gehen, will aber, angesichts dessen, dass er in seinem Alter keine Festanstellung mehr finden wird, eine Abfindung von 48.000,00 €.

Das Gericht, welches sich bis dahin zurückgehalten hatte, weist die Arbeitgeberin darauf hin, dass sie bei ihrem Vergleichsvorschlag ohnehin Sozial- und Rentenversicherungsbeträge zu zahlen hätte, welche sich in 6 Monaten auf ca. 5.000,00 € summieren. Daher sei eine Einigung auf 40.000,00 € – auch in Hinblick auf die Prozesschancen – für sie die wirtschaftlich beste Lösung. Vor allem, weil ja noch wegen dem o. g. Fall ein Parallelverfahren anhängig ist, das auch Kosten verursacht und welches mit dem Vergleich “miterledigt” werden könnte.

Weil sich der Geschäftsführer der Beklagten – ein Jungjurist ungefähr in meinem Alter – windet, “hämmert” das Gericht noch eine Weile auf ihn ein, so dass m. E. nicht mehr viel gefehlt hat, bevor der Vorsitzende das Megafon auspackt und ihm mit der gebotenen Lautstärke klar macht, dass er den Prozess ansonsten sehr wahrscheinlich verlieren wird und dass das Angebot für die Beklagte die wirtschaftlich günstigste Möglichkeit darstellt, die Sache endgültig zu beenden. Am Ende wird das Ganze  als Vergleichsvorschlag mitgenommen, während der Mandant noch im Saal sein Einverständnis erklärt.

Beim Rausgehen meint der Mandant zu mir, dass der Geschäftsführer der Beklagten den Vergleichsvorschlag wohl nicht annehmen werden wird. Ich rüge ihn für die Annahme, weil doch rein objektiv der Geschäftsführer ein Interesse haben müsse, die Sache für die Beklagten wirtschaftlich günstig zu lösen. Wie das heutige Ablehnungsschreiben der Gegenseite zeigt, hätte ich ihm besser Glauben schenken sollen.

Es beweist mal wieder, dass selbst der größte Holzhammer dem Richter nichts bringt, wenn eine Partei sich von ihren Gefühlen leiten lässt…

Rechtsschutzverweigerungsversicherung

In dem hier beschriebenen Fall haben wir unsere Tätigkeit gegenüber der Rechtsschutzversicherung (RSV) des Mandanten, der ÖRAG, abgerechnet. In insgesamt 14 Fällen – der Arbeitgeber war leider fleißig bei seinen Rechtsverletzungen – sind wir außergerichtlich tätig geworden. Da kam dann ein Gegenstandswert von knapp 70.000 € zusammen (durch Zusammenrechnung nach § 22 RVG).

Verkomplizierend (für die ÖRAG) kam hinzu, dass der Mandant nur bis 2006 und dann ab 2013 (unter neuer Nummer) rechtsschutzversichert war.

So ging das Spiel also los:

  • Erste Antwort: Keine Übernahme, weil ja nur bis 2006 versichert.
    Mitgeteilt, dass Nachfolgevertrag besteht.
  • Zweite Antwort: Keine Übernahme, weil Fälle aus 2012 seien.
    Mitgeteilt, dass das nicht stimmt und nicht erklärlich ist, wieso das angenommen wurde.
  • Dritte Antwort: Keine Übernahme, weil gerichtlich ein Abgeltungsvergleich geschlossen worden sei.
    Mitgeteilt, dass sich Abgeltung nicht auf diese Fälle bezieht (was auch im Vergleich klar drin steht)
  • Vierte Antwort: Keine Übernahme, weil ja nur bis 2006 versichert.
    Nochmals auf Nachfolgevertrag hingewiesen, weil bei ÖRAG ja scheinbar keiner die Akten liest.

Erst nach mehreren Faxen und Telefonaten hat sich bei der RSV jemand gefunden, der bereit war, sich tatsächlich mit dem Fall zu beschäftigen. Das Ergebnis aber leider das selbe: keine Übernahme.

Das Argument des Sachbearbeiters: Es sei ja eine Selbstbeteiligung von 150,00 € abzuziehen für jeden Gegenstand, das stünde so in den ARB. Also müsste man 14 × 150,00 € = 2.100,00 € Selbstbeteiligung abziehen und dann bliebe ja nix mehr übrig von der 1,3-Geschäftsgebühr von 2.085,95 € (inkl. Mwst. und Portopauschale). Abgesehen davon, dass wir aufgrund des Umfangs der Sache eine 2,0-Gebühr abgerechnet hatten, favorisiert die ÖRAG eine Auslegung ihrer ARB, die darauf hinausläuft, dass der Versicherungsnehmer im Ernstfall gar keine Leistungen erhält.

Ob der Mandant, der die Rechnungen dann wohl demnächst selbst bekommt, weiterhin dort versichert bleiben will, wage ich zu bezweifeln.

PS:
Die sieben Beratungsrechnungen sind auch alle nicht bezahlt worden, weil die Angabe der Tätigkeit zu vage gewesen sei. Dass ich der Kollegin am Telefon das alles schon ausführlich erklärt hatte, beeindruckte den Sachbearbeiter nicht.

Schika-was?

Manche Arbeitgeber gehen davon aus, dass ihr Wort Gesetz ist und der Arbeitnehmer gefälligst zu tun hat, was man ihm anschafft, egal ob er dafür eingestellt wurde oder nicht. Da soll der Oberarzt auch mal die Toiletten schrubben und der IT-Techniker den Schnee schippen. Ganz besonders allergisch reagiert dieser Typ Arbeitgeber dann auf Arbeitnehmer, die ihre Rechte kennen und sich weigern, solche Aufgaben zu übernehmen. Dann wird der Arbeitgeber erst richtig kreativ mit der Zuteilung schikanöser…äh…sinnvoller Tätigkeiten.

So ergeht es auch einem Mandanten. Er ist als Haustechniker in einer Klinik angestellt, was den Arbeitgeber nicht daran hindert, ihn zum Schrubben der Treppen und Schneiden der Bäume einzuteilen. Der neueste Einfall: Er solle die Bettennotfallrampe abschleifen und neu streichen. Diese soll dazu dienen, im Notfall die Krankenbetten zu evakuieren. Eigentlich eine gute Idee – wenn sie nicht an einem Fenster mit 80 cm Breite angebracht worden wäre. Die Betten sind nämlich mindestens einen Meter breit.

Ein Schelm, wer da Böses denkt…

BVerfG bestätigt, dass kirchliche Arbeitgeber aufgrund von Moralvorstellungen kündigen dürfen

Wie die SZ berichtet, hat das Bundesverfassungsgericht mit Urteil vom 22.10.2014 – Az. 2 BvR 661/12 – das Urteil des BAG vom 08.09.2011 – 2 AZR 543/10 – aufgehoben. Die Bundesrichter hatten damals entschieden, dass eine katholische Klinik einem Chefarzt nicht deshalb kündigen dürfe, nur weil dieser wieder geheiratet habe.

Das BVerfG entschied nun, dass dieses Urteil die Kirchen in deren verfassungsrechtlich garantierten Sonderrechten beschränkt. Die Verletzung der kirchlichen Moralvorstellungen sei als Kündigungsgrund ausreichend.

Damit setzt sich leider die Rechtsprechung des BVerfG fort, wonach die Moralvorstellungen der Kirche über den gesetzlichen Regelungen stehen können, insbesondere denen des AGG. Wie immer man zu den Moralvorstellungen der Kirche steht, so darf man nicht vergessen, dass die Kirchen mit die größten Arbeitgeber des Landes sind und vor allem im sozialen Bereich viele Arbeitnehmer gar keine andere Wahl haben als für ein kirchliches Unternehmen zu arbeiten. Diese sind dann gezwungen, ihr Leben Vorstellungen anzupassen, die viele Gläubige schon gar nicht mehr erfüllen, wenn sie ihre Arbeitsstelle nicht verlieren wollen. Es wäre also an der Zeit, dass der Gesetzgeber die Sonderrechte der Kirchen ein wenig überdenkt, denn dem Notfallpatienten in der Chirugie ist es herzlich egal, ob sein Arzt geschieden ist oder nicht…

Arbeitsgericht Köln: Kein Anspruch auf Weihnachtsgeschenk

Dass das Arbeitsrecht eine Materie ist, in der es besonders oft zu skurrilen Auseinandersetzungen kommt, dürfte jedem Juristen bekannt sein. Dennoch sind auch erfahrene Juristen immer wieder überrascht, aus welchen Gründen sich Arbeitgeber und Arbeitnehmer vor Gericht streiten.

Einen solchen Fall hat jetzt das Arbeitsgericht Köln entschieden. In einer Firma mit 100 Mitarbeitern und einer Tradition langweiliger Betriebsfeiern (etwas das vielen Unternehmen bekannt ist) hatte sich der Arbeitgeber entschieden, sich handfest bei den anwesenden 75 Mitarbeitern der Weihnachtsfeier zu bedanken: Mit einem iPad Mini für jeden Anwesenden, Kostenpunkt ca. 400 Euro (also knapp 30.000 Euro insgesamt). Das wird bei diesen sicher gut angekommen sein.

Schlecht angekommen ist dies bei einem kranken Arbeitnehmer, der deshalb nicht dabei war. Er befand sich ungleich behandelt und stufte das iPad als Teil der Vergütung (als Sachleistung) ein, die ihm auch hätte gezahlt werden müssen, obwohl er krank gewesen sei. Dies sah das Arbeitsgericht Köln anders und wies die Klage ab. Begründung: Ungleichbehandlung sei gerechtfertigt, da der Arbeitgeber ja die Betriebsfeier attraktiver gestalten wollte und die Anwesenden zur weiteren zukünftigen bzw. die Nichtanwesenden zur zukünftigen Teilnahme motivieren hat wollen.

Dass der Arbeitgeber anwesende Mitarbeiter auf einer Betriebsfeier besser behandeln dürfen muss, ist relativ eindeutig zu bejahen (ansonsten müsste er ja z.B. Nichtanwesenden auch Kleinigkeiten wie Speisen und Getränke zukommen lassen bzw. dem Wert nach auszahlen). Die Rechtfertigung der Ungleichbehandlung ergibt sich dabei aus der freien Entscheidung der Nichtanwesenden, der Betriebsfeier fern zu bleiben. Ob eine Ungleichbehandlung aber auf für die Arbeitnehmer gerechtfertigt ist, die zwar teilnehmen wollen, aber aus gesundheitlichen Gründen nicht in der Lage sind, halte ich dagegen für fraglich.  Eine Entscheidung der Nichtteilnahme trifft der kranke Arbeitnehmer ja gerade nicht (freiwillig). Insofern wäre also darauf abzustelllen, ob er teilgenommen hätte, wenn er arbeitfähig gewesen wäre. Dies lässt sich natürlich nicht beweisen, aber zumindest aus den Umständen heraus beantworten: Hat er bisher regelmäßig teilgenommen? Hat er fest zugesagt, mglw. auch verbunden mit der Bereitschaft, organisatorische Verantwortung zu übernehmen? Oder hat man ihn sowieso nie auf Betriebsfeiern gesehen?

Was der Fall jedoch auch zeigt: Kleinigkeiten können schnell zu gerichtlichen Auseinandersetzungen führen, was das Betriebsklima nachhaltig vergiften kann. Nicht nur, dass der Kläger kein iPad bekommen hat, er muss jetzt auch noch Gerichts- und Anwaltskosten tragen und hat die Gefahr geschaffen, dass der Arbeitnehmer ihn in Zukunft negativer behandeln wird. Eine gütliche Einigung wäre für beide Seiten sicherlich besser gewesen und der Sache angemessen.

[ via Arbeitsrecht Chemnitz ]