Fachanwalt für Verlegungsrecht

In einer eigentlich nicht besonders anspruchsvollen Sache (Streitwert: <800,00 €) haben wir im April 2017 Klage eingereicht. Nach einer kleinen Irrfahrt ist die Sache seit Juli 2017 beim hiesigen Amtsgericht anhängig. Dort blieb die Akte erst einmal vier Monate unbearbeitet, weil das Referat unbesetzt blieb.

Nachdem sich im November 2017 ein neuer Richter für das Referat gefunden hatte, terminierte dieser auf Mitte Dezember 2017. Und dann auf Anfang Januar 2018. Und dann auf Ende Januar 2018. Und dann auf Ende Februar 2018. Und jetzt auf Ende März 2018. Jeweils “Auf Antrag des Beklagtenvertreters”. Jeder Verlegungsantrag enthält die Bitte an das Gericht, vor einer Verlegung Rücksprache zu halten. Was scheinbar jeweils ignoriert wird.

Leidtragender ist der Klägervertreter, der seinem Mandanten erklären muss, dass man nichts dagegen machen kann, wenn das Gericht wieder und wieder und wieder verschiebt…

Die Sache ist übrigens recht einfach, der Beklagte hat die Klageerwiderungsfrist deutlich versäumt, so dass das Gericht eigentlich auf Grundlage der Klage entscheiden könnte. Wenn es doch nur mal einen Termin machen könnte.

Arbeitet die Polizei einmal schlecht…

…heilen das auch Staatsanwaltschaft und Gericht meist nicht mehr.

Die Beamten des Polizeidienstes sind gem. § 163 StPO die Ermittlungspersonen der Staatsanwaltschaft, mithin also deren verlängerter Arm. Staatsanwälte in der ganzen Republik müssen sich darauf verlassen, was die Polizei ihnen ins Kämmerlein schickt und oftmals wird deren Arbeit selbst dann nicht mehr hinterfragt, wenn sich Zweifel aufdrängen müsste. Schließlich ist man ja in Zukunft wieder auf deren Zuarbeit angewiesen. Deshalb werden landauf und landein täglich fleißig Anklagen und Strafbefehle geschrieben, die allein auf dem Bericht der Polizei beruhen und sich nicht die Mühe machen, deren Arbeit kritisch zu begutachten.

Über einen Musterfall solcher “Arbeit” hatte ich bereits hierhier und hier berichtet. Im Rahmen der obligatorischen Berufungsinstanz – der Staatsanwaltschaft waren 8 Monate Freiheitsstrafe für einen Angeklagten, dessen Tatbeteiligung nicht erwiesen war, zu wenig – kamen noch mehr Details zu Tage, um die sich die Strafrichterin in der ersten Instanz nicht gekümmert hatte.

So war der Einsatzleiter der Polizei vor Ort , Polizeiobermeister M., “frisch von der Akademie” und hat noch nie an einem Einsatz dieser Art teilgenommen (erst recht nicht als Einsatzleiter). Alle Fragen dazu, was die Zeugen vor Ort gesagt haben, musste er mit Nichtwissen beantworten. Welche Kollegen denn noch vor Ort waren (immerhin 8 Stück)? Keine Ahnung. Warum diese in seinem Bericht nicht stehen? Weiß er nicht. Ob er mit diesen vor Fertigung seines Berichts nochmal gesprochen hat? Keine Ahnung. Ob denn stimmen kann, dass ein Kollege den Mitangeklagten habe gehen lassen? Schon möglich. Warum man die Namen der 8-10 Leute nicht aufgenommen habe, die da rumstanden? Naja, die haben ja gesagt, sie hätten nichts gesehen.((Notiz an alle Täter: Einfach behaupten, ihr habt nichts gesehen, dann lässt euch die Polizei gehen.)) Es habe sich ja auch keiner als Zeuge angeboten.((Weil Jugendliche auch so erpicht sind, mit der Polizei zu sprechen.)) Ob denn einer der Kollegen vor Ort per-Du mit dem “Opfer” war? Das könne schon sein, aber er weiß ja nicht mehr, wer denn vor Ort war.

Nachdem der “Frischling”-Polizist (drei Tage später) seinen Bericht über die Nacht geschrieben hatte, wunderten sich weder sein Vorgesetzter noch der nun ermittelnde Kriminalhauptkommisar (KHK) P., ein Mannsbild mit ca. 30 Jahren Berufserfahrung und überdies ein Bekannter des Vaters des “Opfers”, darüber, dass die anderen Polizisten vor Ort nicht als mögliche Zeugen (vom Hörensagen) im Bericht standen und machten sich auch keine Mühe, diese zu ermitteln. Dagegen wurde mit kriminalistischen Scharfsinn unser Mandant als dritter Täter ermittelt. Vom Gericht hierzu befragt, sagte er wörtlich, dass zwar “leider” keiner der Zeugen den Mandanten auf den Wahllichtbildvorlagen habe wiedererkennen können und er auch sonst keine objektiven Beweismittel habe, er sich aber trotzdem gang sicher ist, dass unser Mandant der dritte Täter war. Dies verwirrte sogar die  Sitzungsvertreterin der Staatsanwaltschaft und die Vorsitzende, sind doch Polizisten normalerweise nicht so ehrlich zuzugeben, dass sie sich auf einen Verdächtigen fixiert haben und versuchen, diesen gegen alle Widerstände als Täter zu “identifizieren”.

Auf meine Frage, wieso er spätestens nach dem dritten Fehlversuch nicht versucht hatte, andere Zeugen in Erfahrung zu bringen, berief er sich darauf, dass man doch eine Zeitungsannonce geschalten habe. Warum man nicht die Mitglieder des Burschenvereins befragt habe, die zahlreich vor Ort waren und alle das “Opfer” kannten? Das könne er jetzt so nicht sagen. Warum man die bekannten Zeugen nicht nach der Identität der weiteren 8-10 Personen gefragt hat, die das Geschehen beobachtet haben? Erschien nicht so wichtig. Warum man nicht das “Opfer” als Auslöser der Schlägerei verdächtigt hatte, obwohl Zeugen übereinstimmend berichtet habe, dass dieser ziemlich betrunken lautstark gestritten habe und die Tatverdächtigen schlichten wollten? Gab es keinen Anlass dazu, er war ja schließlich am Ende der Verletzte.

Das Verfahren führte also, wie berichtet, zur Anklage gegen unseren Mandanten und endete in 1. Instanz mit einer Verurteilung zu 8 Monaten Freiheitsstrafe wegen gefährlicher Körperverletzung. In zweiter Instanz wurde das Verfahren gem. § 153a StPO gegen Zahlung eines geringen Betrags eingestellt.((Wozu der Mandant auch nur bereit war, um die Angelegenheit endgültig sicher zu erledigen, denn der Freispruch “lag in der Luft”.)) Die gefährliche Körperverletzung die die erste Instanz und auch die Staatsanwaltschaft gesehen haben wollen, war für das Berufungsgericht nur mit “Rosinenpickerei” zu rechtfertigen. Eine durchaus treffende Beurteilung der erstrichterlichen Beweis”würdigung”. Das wahre Tatgeschehen aber wird wohl nie mehr ermittelt werden können, mehr als 2 1/4 Jahre nach dem Vorfall. Daran ist die schlampige Polizeiarbeit nicht ganz unschuldig.

Endlich erwischt!

fist-149497_640Das wird sich die hiesige Staatsanwältin gedacht haben, als unser Mandant (59 Jahre jung, keine Vorstrafen) zum ersten Mal auf ihrem Schreibtisch landete. 59 Jahre lang hatte er es geschafft, seinen Trieb – nämlich wahllos Leute auf der Straße ohne erkennbaren Grund hinterrücks so zu schlagen, dass diese schreckliche Schmerzen erleiden, ohne dass dies irgendetwas ärztlich feststellbar ist – vollkommen hemmungslos auszuleben. Aber jetzt ist Schluss, denn Staatsanwältin H. ist zur Stelle!

Das zumindest ist der einzige Grund, der mir einfällt, warum man einen Strafbefehl über 50 Tagessätze beantragt (der natürlich auch brav erlassen wird), wenn der (von einer einzigen Zeugin/Geschädigten erhobene, nicht objektiv beweisbare) Vorwurf lautet, der Mandant habe einer Frau im Vorbeigehen – grundlos – mit der Faust auf den Hinterkopf geschlagen, bevor er ungeniert weitergegangen ist.

Der Mandant hatte übrigens – natürlich bevor er zum Anwalt kam, als guter Deutscher der Ladung der Polizei folgend – ausgesagt, dass er nicht geschlagen habe.

PS: In der Hauptverhandlung wurde dem Mandanten natürlich (von der Richterin, die den Strafbefehl ja schon erlassen hat) die Verurteilung dennoch in Aussicht gestellt. Er hat sich dann entschieden, eine Einstellung nach § 153a StPO zuzustimmen. So dass Frau H. sich weiterhin im Recht fühlen kann…

Ich werf mich dann mal hinter die S-Bahn…

Quelle: Flummi-2011 @ Wikimedia Commons, CC-BY-SA-2.0

Quelle: Flummi-2011 @ Wikimedia Commons, CC-BY-SA-3.0

Die Süddeutsche Zeitung berichtet hier über einen Fall eines Münchners, der trotz bezahlter Strafe noch 11 Tage im Gefängnis sitzen musste, weil sich niemand bei der Staatsanwaltschaft München I dazu aufraffen konnte, die Bezahlung seiner Strafe zu registrieren und seine Freilassung anzuordnen.

Die Staatsanwaltschaft München I ermittelt in dieser Sache – wie so üblich in Bayern – gegen sich selbst und kann natürlich auch in drei Anläufen kein Fehlverhalten bei sich erkennen. Insbesondere habe der Rechtspfleger, der über den Eingang des Gelds informiert worden sei, ja kein Motiv oder Vorsatz gehabt.


Dass es mit der Kompetenz der bayerischen Justiz nicht so gut steht, musste ich bzw. mein Mandant heute am eigenen Leib spüren: Beide Mitangeklagten haben – ohne dass es ihnen zum Vorteil gereichen würde – gesagt, dass er bei der Tat nicht dabei war. Alle fünf Zeugen aus dem Lager der Geschädigten haben gesagt, dass sie ihn nicht als Täter erkennen – weder bei der Polizei noch vor Gericht. Objektive Beweismittel, die auf seine Täterschaft hindeuten? Fehlanzeige. Ich hatte bereits darüber berichtet.
Verurteilt wurde er natürlich trotzdem.

In diesem Sinne: Ich werf mich dann mal hinter die S-Bahn…

Von “glaubhaften” Geständnissen und “unglaubwürdigen” Zeugen

Am Mittwoch fand eine Verhandlung in einer Strafsache beim Amtsgericht Ebersberg statt. Angeklagt war unser Mandant dafür, dass er in einer vorigen Verhandlung – gegen den anderweitig verfolgten und zur Zeit trotz 2er Haftbefehle nicht auffindbaren A – falsch ausgesagt haben soll.

Bei der Polizei hat der Mandant ausgesagt, er und sein Kumpel Z, haben sich an einem Tag im Jahre 2012 mit A getroffen, um von ihm Marihuana zu kaufen. In Wirklichkeit fand der Kauf von einem S statt, den der Z, aber nicht der Mandant kannte.

Er glaubte dabei, dass er sich für sein Verfahren Milde erhoffen kann, wenn er den A – einen ihm bekannten Dealer – benennt. Außerdem dachte er, wen er die Wahrheit sage – dass er den Verkäufer nicht kannte – man ihm nicht glauben würde. Angesichts der Reaktion der Staatsanwältin im Verfahren am Mittwoch eine nicht unwahrscheinliche Vermutung.

Kurze Zeit später hat er der Polizei gegenüber seine Aussage berichtigt und im Prozess gegen A folgerichtig die Wahrheit gesagt, nämlich dass der A da gar nicht dabei war. Die Richterin hielt den Mandanten für unglaubwürdig und verurteilte A aufgrund der polizeilichen Aussage des Mandanten.

Der Kumpel Z war kurze Zeit später ebenfalls vor der selben Richterin wegen seiner nicht unerheblichen BtM-Geschichten. Dort erzählte er u. a., dass er am fraglichen Tag vom S Drogen gekauft habe und nicht vom A. Unser Mandant sei da auch dabei gewesen. Als Zeuge wurde er in diesem Verfahren nicht vernommen. Die Richterin – die wie gesagt auch A verurteilt hat(!) – hat Z daraufhin ebenfalls verurteilt und die Verurteilung darauf gestützt, dass der Angeklagte ein glaubhaftes Geständnis abgelegt hat, welches sich mit den Ermittlungsergebnissen decke.

Alle drei Verfahren waren bei der selben Abteilung der Staatsanwaltschaft angesiedelt. Die Staatsanwältin – die den Z noch aufgrund dieser Aussage verurteilt sehen wollte – hat also Anklage gegen unseren Mandanten erhoben, weil es Falschaussage und versuchte Strafvereiteilung gewesen sein soll, dass er im Verfahren gegen A genau das selbe gesagt hat wie Z in seinem Verfahren.

Das ist auch dem Strafrichter – nun ein anderer – im Verfahren gegen unseren Mandanten aufgefallen. Der hat ihm nämlich nochmal erzählt, wie es wirklich war und auch der als Zeuge erschienene Z hat lang und breit erklärt, dass sie die BtM von S und nicht von A gekauft hätten. Die Staatsanwältin wirkte sichtlich erzürnt von diesen – ihrer Meinung nach falschen – Aussagen, musste aber einsehen, dass sie keinerlei Beweismittel benannt hat, die die Anklage stützen hätten können.

Sie wollte die Situation noch mit einer Nachtragsanklage (§ 266 StPO), aber das geht halt nur mit Zustimmung des Angeklagten. So kam es, wie es kommen musste, der Mandant wurde freigesprochen, die Staatskasse trägt unsere Kosten und die Staatsanwältin kann ihrer sachbearbeitenden Kollegin mitteilen, dass es vielleicht etwas widersprüchlich ist, jemanden anzuklagen für eine Aussage, von der man vorher ausging, sie entspräche der Wahrheit.

PS: Die Staatsanwältin hat natürlich eine neue Anklage wegen falscher Verdächtigung (§ 164 StGB) angekündigt. Nachdem diese Tat aber schon 2012 war und der Mandant Heranwachsender, wird es nach dann über zwei Jahren interessant, wie das Gericht es unter erzieherischen Gesichtspunkten vertreten will, diese Tat noch hart zu ahnden. Vor allem unter dem Gesichtspunkt, dass der Mandant unverzüglich nach seiner ersten Vernehmung seine Aussage berichtigen wollte. Man darf gespannt bleiben.

Gerichtssaalszenen: Auf dem Land, da trifft man viele Bekannte

Wer mein Profil gelesen hat, weiß, dass ich in Grafing bei München, einem Ort mit 1/5 der Einwohner meines Heimatstadtbezirks, arbeite. Naturgemäß stehen die Gerichtstermine somit auch bei den ländlichen Gerichten im Umkreis an, so heute beim Amtsgericht in Ebersberg (eine Kreisstadt mit noch weniger Einwohnern als Grafing).

Die Verhandlung an sich war wenig spektakulär, Räumungsverfahren bei dem die Beklagten die gerichtlichen Fristen verstreichen haben lassen und im Termin der Kollege auf der Gegenseite einen Schriftsatz mit neuem Vortrag überreicht hat und ansonsten versucht hat, auf die Tränendrüse zu drücken. Ich bin wirklich kein herzloser Mensch, aber wenn Mieter zwei Jahre lang nicht oder nur sporadisch zahlen und auch nach der Kündigung sechs Monate nicht ausziehen, dann wirkt bei mir sowas in der Regel nicht mehr. Trug doch der Beklagtenvertreter vor, einer der Beklagten arbeite bei ihm in der Kanzlei. Der musste es also eigentlich besser wissen.

Interessanter war es, mit der Richterin danach zu plauschen. Wie ich im Vorfeld von meinem Arbeitgeber erfahren hatte, hatten wir nämlich zusammen mündliche Prüfung im zweiten Examen und konnten daher über die Vorzüge und Nachteile der Arbeit auf dem Land (vielfältigere Fälle vs. Notwendigkeit, sich auch in wenig bekannte Felder einzuarbeiten) unterhalten.

Als ich dann für die folgende Verhandlung Platz machen wollte, kam mir eine ehemalige Kommilitonin entgegen, die ich seit vier Jahren nicht mehr gesehen hatte. Verständlicherweise hab ich auf ihre überraschte Begrüßung mit einem “Kennen wir uns?” reagiert. Zu meiner Verteidigung muss ich aber anführen, dass sie etwas anders aussah (und ich sowieso ein schlechtes Gedächtnis für Gesichter hab). Sie erzählte mir, dass sie bei ihrem Lebensgefährten in der Kanzlei arbeite, der als Anwalt im folgenden Termin kam. Wieso sie sich an mich erinnern konnte (und von mir erzählt hatte), wusste sie auch noch:

“Du hast mir den Glauben an Gott ausgetrieben.” 1

Und da sage nochmal einer, ich könnte nicht überzeugend sein 😉


1 Zur Erklärung:
Nein, ich war nicht besonders gemein zu ihr. Als Antitheist sind Religionskritik und entsprechende philosophische Erörterungen für mich nur seit vielen Jahren von Interesse und eines Tages sprachen wir vor, während oder nach einer Vorlesung im wahrsten Sinne über Gott und die Welt und ich hab ihr natürlich erzählt, was aus meiner Sicht gegen die Existenz eines Gottes (gleich welcher Art) und gegen Religionen spricht und mal erwähnt, wie viel Geld der Staat den beiden Großkirchen wirklich jedes Jahr zahlt.