Warum Ermittlungsrichter doch ihre Daseinsberechtigung haben

Ermittlungsrichter stehen oftmals im Ruf, bloße Durchwink-Maschinen der Staatsanwaltschaft zu sein, die alle Anträge auf Durchsuchungen, Blutabnahmen etc., die von der Staatsanwaltschaft kommen, blind unterschreiben. Auch wenn es sicherlich genug solche Richter gibt, hat der Richtervorbehalt doch seine Berechtigung, wie der nachfolgende Fall zeigt.

Mandant wurde von einem Polizisten in Freizeit schlafend am Steuer seines geparkten Pkws angetroffen. Der Polizeibeamte kombiniert, aufgrund der leeren Whiskey-Flasche am Rücksitz, dass der Mandant dort gefahren sein muss und will eine Blutentnahme nach § 81a StPO angeordnet wissen, damit der Mandant nach § 316 StGB verfolgt werden kann. Dass die Ermittlungsrichterin anhand der von ihm geschilderten Umstände davon ausgegangen ist, dass dem Mandanten nicht nachzuweisen sein wird, dass er a) betrunken gefahren ist (weil ihn keiner hat fahren sehen) oder b) die Flasche Whiskey nicht erst im Auto getrunken hat (wofür vieles sprach), konnte der “seit über 30 Jahren im Polizeidienst” stehende Beamte nun gar nicht begreifen. Er musste also seinem Ärger Luft machen:

Dies ist für mich in keinster Weise nachvollziehbar. Eine Blutentnahme nach den Regeln der ärztlichen Kunst ist im Vergleich zum im Raum stehenden Strafmaß und zur Gefahr die von einer solchen Person für den Straßenverkehr ausgeht ein geringer Rechtseingriff. […] Die Möglichkeit, dass es zu einer Verurteilung kommt, war zudem durchaus realistisch. Dem Beschuldigten wäre es schwer gefallen, alle Verdachtsmomente zu entkräften.

Die nicht getroffene Anordnung der Frau Richterin X. ist mit meinem Rechtsverständnis nicht in Einklang zu bringen.

Mein Mitleid hält sich in Grenzen. Mit meinem Rechtsverständnis ist nämlich nicht in Einklang zu bringen, dass ein Polizist in 30 Jahren nicht gelernt hat, dass die Unschuldsvermutung für alle gilt und es nicht die Aufgabe des Angeklagten ist, seine Unschuld zu beweisen.

Angesichts der Tatsache, dass wir vor nicht allzu langer Zeit einen Mandanten verteidigen mussten, der – trotz fehlenden Nachweis, dass er gefahren ist – wegen § 316 StGB rechtskräftig in drei Instanzen verurteilt wurde (Beitrag hier), ist es geradezu erfrischend, an eine Richterin zu geraten, die ihre Aufgabe (zumindest in diesem Fall) ernst nimmt.

Polizeilich verordneter IQ-Test

Jeder, der schon mal einen IQ-Test gemacht hat, wird diese Aufgabenstellung kennen: Man bekommt mehrere Bilder vorgelegt und soll erkennen, welches nicht zu den anderen passt:

house1 house4 house3 schiff house2
a) b) c) d) e)

Auch die Polizei greift gerne auf eine Variante dieses Tests zurück, die sie dann “Wahllichtbildvorlage” nennt. Dabei werden dem Zeugen – der möglicherweise vorher (gemeinerweise) einen Täter beschrieben hat, dessen Beschreibung nicht auf den von der Polizei auserkorenen Verdächtigen passt – Bilder von 8 Personen, inklusive dem Verdächtigen, vorgelegt. Das Bild des Verdächtigen fällt dabei leicht aus der Reihe, z. B. durch Schmuck, Haarlänge, Gesichtsausdruck etc. Wenn der Zeuge nun das Bild sieht, “erkennt” er den Tatverdächtigen sogleich (unterbewusst) wieder – immerhin sieht der ja anders aus als die anderen.

Wer jetzt meint, ich würde mir das ausdenken, dem würde ich gerne die Ermittlungsakte zeigen, die mir vorliegt. Da hatte der Mandant auf dem vorgelegten Foto – anders als zur vermeintlichen Tatzeit – als einziger in der Gruppe der Vergleichspersonen einen prominenten Nasenring und eine Goldkette. Dass die selben Zeugen bei ihrer Befragung einen 15 Jahre jüngeren Mann ohne Nasenring geschildert haben – und somit eigentlich Bilder einer solchen Person hätten gezeigt werden müssen – ist dann auch schon egal.

Eine Arm-e Polizeileistung

Wie LTO.de berichtet, haben Polizeibeamte in Köln bei einer Kontrolle gegen einen Radfahrer ein Verwarngeld von 25,00 € verhängt, weil dieser nur auf der linken Seite eine Handbremse gehabt habe. Was den Beamten vor Ort nicht ganz einleuchten wollte, war, dass der Betroffene schwerbehindert ist – weil ihm der rechte Arm fehlt. Vielmehr musste die Sache erst bei der Behörde überprüft werden, bevor man feststellen konnte, dass es unrechtmäßig ist, von einem Mann ohne rechten Arm zu verlangen, dass dieser auf der rechten Seite eine Handbremse hat.

Abgesehen davon, dass es auch den Beamten vor Ort hätte einleuchten müssen, dass Vorschriften nicht durchgesetzt werden sollten, wenn dies weder sinnvoll noch zweckmäßig ist, stellt sich außerdem die Frage, welchen Sinn die Vorschrift des § 47 I OWiG nach Meinung der Kölner Streifenpolizisten hat, wenn nicht einmal in einem solchen Fall davon ausgegangen wird, dass man die vermeintliche Ordnungswidrigkeit nicht verfolgen muss.