Pawlow hätte seine Freude an der CSU gehabt

Unser aller Lieblingsstaatspartei zeigt, dass Iwan Pawlow seine Experimente auch dann hätte erfolgreich führen können, wenn er statt  Hunden CSU-Politiker, statt Glocken Gewalttaten und statt Futter Vorratsdatenspeicherung verwendet hätte. Anders kann man sich nicht erklären, dass nach jedem öffentlich diskutierten Vorkommnis automatisch und ohne zu denken den beteiligten Damen und Herren das Wasser im Mund zusammenläuft und sie nach einer Wiedereinführung der VDS lechzen.

PS: Frankreich praktiziert diese verfassungswidrige Praxis übrigens seit Jahren. Genutzt hat es den Opfern bei “Charlie Hebdo” nichts…

Lesehinweis: VorsRiBGH Thomas Fischer zum Fall Edathy

Zu diesem Beitrag des vorsitzenden Richters des 2. Strafsenats des BGH Thomas Fischer in der ZEIT gibt es nur eines zu sagen:

Bravo Herr Fischer!

Ich hoffe stark, dass möglichst viele Leute sich seine Worte zu Herzen nehmen.

Bundesverfassungsgericht: SPD-Mitgliederentscheid nicht verfassungswidrig

Das Bundesverfassungsgericht hat mit einer einer Entscheidung vom heutigen Tage (2 BvQ 55/13) kurz und knapp dargelegt, wieso es einen Abgeordneten des Bundestags nicht in seinen Rechten aus Art. 38 GG verletzt, wenn die SPD ihre Mitglieder entscheiden lässt, ob die große Koalition kommen soll oder nicht. Kernargumentation des höchsten deutschen Gerichts ist dabei, dass ein Votum der Mitglieder die einzelnen Abgeordneten direkt nicht bindet. Egal wie die Basis abstimmt, jeder Abgeordnete kann trotzdem entscheiden, ob er Angela Merkel zur Kanzlerin wählen will oder nicht. Und die Fragen nach einer “Koalition” sind sowieso nicht Aufgabe des Bundestags, also können solche Verträge auch keine direkten Bindungswirkungen gegenüber den Abgeordneten entfalten.

In dieser Sache hat mir (und allen anderen Genossen) unsere Generalsekretärin heute geschrieben, dass fast 200.00 Wahlunterlagen schon im Willy-Brandt-Haus eingegangen sind. Man kann vom Mitgliederentscheid halten, was man will, aber das ist wirklich ein ermunterndes Beispiel dafür, dass parteiinterne Demokratie auch in wichtigen Angelegenheiten funktioniert.

Stalking: Beate Merk fordert Änderungen von § 238 StGB die bereits Teil des Gesetzes sind

Nach den tragischen Ereignissen mit der Geiselnahme durch einen Stalker im Ingolstädter Rathaus am Monat, springt natürlich Beate Merk auf den Sommerloch- und Wahlkampfzug auf und fordert eine Verschärfung von § 238 StGB. So sagte sie der Augsburger Allgemeinen:

Es komme aber nicht darauf an, „wie stark ein Opfer seelisch belastet wird“, so Merk. „Es muss reichen, dass die Attacken eines Stalkers geeignet sind, die Lebensführung des Opfers schwerwiegend zu beeinträchtigen.“

Im § 238 StGB heißt es zur Zeit:

(1) Wer einem Menschen unbefugt nachstellt, indem er beharrlich
1.     seine räumliche Nähe aufsucht,
2.     unter Verwendung von Telekommunikationsmitteln oder sonstigen Mitteln der Kommunikation oder über Dritte Kontakt zu ihm herzustellen versucht,
3.     unter missbräuchlicher Verwendung von dessen personenbezogenen Daten Bestellungen von Waren oder Dienstleistungen für ihn aufgibt oder Dritte veranlasst, mit diesem Kontakt aufzunehmen,
4.     ihn mit der Verletzung von Leben, körperlicher Unversehrtheit, Gesundheit oder Freiheit seiner selbst oder einer ihm nahe stehenden Person bedroht oder
5.     eine andere vergleichbare Handlung vornimmt

und dadurch seine Lebensgestaltung schwerwiegend beeinträchtigt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

Also genau das, was laut Frau Merk reichen müsse. Entweder ist sie also so inkompetent, dass sie als Justizministerin(!) nicht weiß, was eigentlich in dem Gesetz steht, das sie verschärfen will. Oder sie wollte unbedingt Wahlkampf machen, egal ob es Sinn macht was sie sagt oder nicht. Für mich ist das ein weiteres Zeichen, dass die Frau als Justizministerin vollkommen unbrauchbar ist und ihren Posten wohl nicht ihrem juristischen Können zu verdanken hat. Bayern hätte was besseres verdient als sowas…

PS: Was wirklich nötig wäre, wäre mehr Staatsanwälte und Richter einzustellen, die solche Fälle auch tatsächlich verfolgen. In Bayern fehlen immer noch mindestens 248 Richter und 125 Staatsanwälte, so dass es kein Wunder ist, wenn Täter frei rumlaufen, deren Verfolgung einfach aus personellen Gründen nicht möglich ist. Das wäre mal eine wirkliche Änderung, die Frau Merk bewirken könnte…

Die Pflicht Hartz IV beantragen zu müssen – oder: Warum das Arbeitsamt nicht will, dass man arbeitet

Es gibt unsinnige Regelungen, die bemerkt man erst, wenn es einen selbst trifft. Da ich (leider noch immer) arbeitslos bin, habe ich ein solches Juwel am eigenen Leib erfahren: § 155 I SGB III.

Kurze Erklärung: Nach dem Referendariat musste ich mich, wie alle meine Kollegen, die nicht sofort einen neuen Job gefunden haben, arbeitslos melden, um die Krankenversicherung nicht zu verlieren. Das Arbeitslosengel I, berechnet mit 60% des pauschalisierten Nettoentgelts (§ 149 Nr. 2 SGB III), beträgt bei einem Ex-Referendar “üppige” 500 Euro im Monat. Das reicht natürlich nicht zum Leben, schon gar nicht in einer Stadt wie München. Ein Empfänger von Leistungen nach SGB II (vulgo “Hartz IV”) bekommt ja bereits 382 Euro plus die Kosten für die Miete, also so ca. 800 Euro.

D.h. die Differenz zwischen Arbeitslosengeld I und dem Mindestbetrag, den man zum Leben braucht, muss irgendwo her kommen. Und hier kommt die Genialität des § 155 SGB III ins Spiel: Wenn ich die Differenz erarbeiten möchte – also z.B. mit einem 450 Euro Job – dann wird das auf mein Arbeitslosengeld (minus 165 Euro Freibetrag) angerechnet. D.h. würde ich 450 Euro verdienen, würden davon 285 Euro angerechnet, ich hätte also am Ende des Monats 665 Euro – immer noch zu wenig zum Leben. Wenn ich dagegen Grundsicherung nach SGB II (“Aufstockung”) beantrage, bekomme ich diese ohne Anrechnung komplett. Die Regelungen des Arbeitslosengelds I sehen also ausdrücklich vor, dass man nicht einmal den Mindestbetrag, den man zum Leben braucht, selbst verdienen darf, sondern stattdessen Hartz IV beantragen muss. Der Berater bei der Arbeitsagentur hat mir dies auch zu meiner Verblüffung so bestätigt.

Ich hoffe inständig, dass ich bald eine Stelle finde, so dass ich dieses System verlassen kann. Soviel Unsinn kann man nur eine begrenzte Zeit ertragen…

Lesehinweis: Fall Mollath und die ignorierten Beweismittel

Auf sueddeutsche.de gibt es im Moment einen sehr interessanten Artikel in dem u.a. dokumentiert wird, dass der ehemalige Vorsitzende der 7. Strafkammer der LG Nürnberg vor dem Untersuchungsausschuss des bayerischen Landtags unverblümt zugegeben hat, dass er als Richter im Prozess gegen Herrn Mollath die Verteidigungsschrift des Angeklagten nicht gelesen habe, weil er noch “anderes zu tun gehabt” habe.

Ich bin mir nicht sicher, was mich mehr aufregen sollte: Dass ein Richter meint, dass das das korrekte Vorgehen in einer Strafsache sein kann, oder dass solche Erkenntnisse nicht massive Reaktionen der Bevölkerung auslösen.

Florian Streibl (Freie Wähler) bezeichnet den Fall korrekt als Beispiel für “Selbstherrlichkeit, Überlastung und Behördenversagen” im Fall Mollath. Der Ausschussvorsitzende Florian Herrmann (CSU) will dem nicht zustimmen. Da kann sich jetzt jeder seinen Teil denken dazu…

Komplettes Verwandtenbeschäftigungsverbot im bayerischen Landtag – Klingt gut, ist aber im Endeffekt Unsinn

Der bayerische Landtag hat heute – in Reaktion auf Berichte dass Politiker (vor allem der CSU) ihren Verwandten Beschäftigungsverhältnisse auf Kosten des Steuerzahlers verschafft haben – beschlossen, dass keine Verwandte bis zum vierten Grad (Cousin / Cousine) mehr beschäftigt werden dürfen sowie Verwandte anderer Abgeordneter bis zum dritten Grade. Dieses – mit heißer Nadel gestrickte – Gesetz klingt auf dem Papier nach einer guten Lösung.

Verfolgt man den Gedanken aber konsequent zu Ende, ist es jedoch Unsinn. Der Steuerzahler hat das Recht darauf, dass er mit seinem Geld die bestmöglichen Arbeitskräfte bezahlt, so dass der Landtag so effektiv wie möglich arbeitet. Nicht ohne Grund misst Art. 33 GG allein “Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung” einen Wert bei der Auswahl von Beschäftigten des öffentlichen Dienstes bei. Auch bei den Beschäftigten von Abgeordneten sollte dieses Prinzip – und nur dieses – zum Tragen kommen. Wenn die Tochter / die Oma / der Onkel des Abgeordneten X die Aufgabe objektiv am besten erfüllen kann, ist es unsinnig, ihr / ihm allein aufgrund seiner Verwandtschaft – für die sie / er nichts kann(!) – die Beschäftigung zu verwehren und es ist unsinnig, wenn der Steuerzahler einen weniger qualifizierten Bewerber bezahlen muss, nur weil der / die qualifizierteste mit irgendjemanden im Landtag verwandt ist.

Natürlich ist mir klar, dass der Anschein der Vetternwirtschaft in diesem Fall entstehen kann. Aber dafür gibt es bessere Lösungen: Anstatt – wie jetzt entschieden – dem Landesamt die Einhaltung dieser Bestimmungen zu übertragen, könnte dieses z. B. auch als neutrale Behörde (anonymisierte) Bewerbungen von Verwandten empfangen und bescheiden. Der Anschein von Vetternwirtschaft kann logischerweise nur dann entstehen, wenn die Abgeordneten Einfluss auf die Beschäftigung ihrer Verwandten haben. Ein System zu schaffen, in diesem die Abgeordneten nachprüfbar keinen Einfluss haben, würde das Problem also effizienter lösen und zugleich dem Anspruch gerecht werden, nur die am besten geeigneten Mitarbeiter zu beschäftigen.