OLG München erteilt Freistellungseinwand bei RA-Gebühren eine Absage

In Verkehrsunfallsachen ist ganz unbestritten (außer vielleicht von den Haftpflichtversicherungen), dass der Geschädigte sich zur Regulierung seiner Ansprüche der Mithilfe eines Anwalts bedienen darf. Auch in anderen Schadensersatzfällen kann die Beauftragung eines Rechtsanwalts sachdienlich und daher vom Schädiger zu ersetzen sein. In anderen Fällen darf ein Anwalt auf Kosten des Schuldners beauftragt werden, wenn dieser im Verzug ist.

Selbst wenn der Schädiger/Schuldner die Kosten zu ersetzen hat, gibt es eine Reihe von Kollegen, die grundsätzlich bestreiten, dass die Rechnung des Anwalts überhaupt gezahlt worden sei und verweisen dabei gerne darauf, dass eine unbezahlte Rechnung nur einen Freistellungsanspruch (§ 257 BGB) zur Folge hat, aber keine Zahlungspflicht.((Wirtschaftlich ist das das Gleiche!))

Dieser Argumentation erteilt das OLG München mit dem schon etwas älteren Urteil vom 26.02.2016 – Az. 10 U 579/15 – eine klare Absage, wenn es schreibt:

Nach Bezahlung kann der Geschädigte Zahlung, vor Bezahlung Freistellung (§ 257 BGB) verlangen. Aus prozessualer Sicht gilt jedoch, dass bei unbezahlter Rechnung dann, wenn sich der Schädiger oder seine Haftpflichtversicherung wie hier ernsthaft weigert, Schadensersatz zu leisten (BGH NJW 2004, 1868; NJW-RR 2011, 910 jew. m. w. N.), was auch in einem entsprechenden prozessualen Verhalten (z. B. einem Klageabweisungsantrag) liegen kann (BGH NJW-RR 2011, 910), der Geschädigte sich nicht auf einen Freistellungsanspruch nach § 257 BGB verweisen lassen muss (BGH NJW 1970, 1122 [wo ein Zahlungsanspruch ohne weiteres angenommen wird]; Senat AnwBl 2006, 768 f., st. Rspr., zuletzt DAR 2014, 673 f.; LG Hamburg SP 2013, 32; AG München, Urt. vom 03.04.2009 – 343 C 15534/08 [juris, dort Rz. 28]; AG Karlsruhe NZV 2005, 326 = SP 2005, 144 = zfs 2005, 309 = AGS 2005, 253 = JurBüro 2005, 194; AG Kaiserslautern DV 2014, 238 ff.), weil sich dieser gem. § 250 S. 2 BGB in einen Zahlungsanspruch verwandelt hat (BGH a. a. O.; LG Hamburg a. a. O.). Der Kläger kann dementsprechend hier unabhängig von der Frage, ob er seinen Anwalt bereits bezahlt hat, Leistung an sich verlangen. [Hervorhebungen von mir]

Diese Entscheidung ist sachgerecht, hat der Geschädigte doch einen bezifferbaren Schaden (nämlich dass der Rechtsanwalt einen Anspruch gegen ihn hat), den er auch dann in Geld ersetzt verlangen kann, wenn er die Rechnung noch nicht bezahlt hat. Hoffentlich können solche Urteile dazu beitragen, dass sich manche Kollegen solch unnötige taktische Spielchen abgewöhnen.

PS: Heute flatterte wieder eine Klageerwiderung ins Haus, in der die Bezahlung der Rechnung mit Nichtwissen bestritten wird. Mal sehen, was das AG München dazu sagt.

OLG München: Eltern müssen bei Filesharing Kinder denunzieren

So kann man die Entscheidung des OLG München vom 14.01.2015 – Az. 29 U 2593/15 – wohl zusammenfassen. Wie mehrere Medien berichten (u. a. Focus, Welt etc.) hat der zuständige Senat die selbst für Münchner Verhältnisse “gewagte” Entscheidung des LG München I vom 01.07.2015 – Az. 37 O 5394/14 – gehalten, wonach Eltern, in deren Haushalt eine Urheberrechtsverletzung stattgefunden hat, nicht nur verpflichtet sind, den wahren Täter zu ermitteln, sondern darüber hinaus auch noch das Ergebnis ihrer Ermittlungen dem Rechteinhaber mitzuteilen, damit dieser dann gegen das Familienmitglied vorgehen kann. Verweigert das Familienmitglied zu Recht nach § 383 I Nr. 3 ZPO die Aussage, so sei der Anschlussinhaber beweisfällig geblieben und hafte nach den Grundsätzen der Anscheinshaftung (das sah die Rechtsprechung bisher aus guten Gründen anders, vgl. z. B.  AG Passau, Urteil vom 30.12.2015 – Az. 15 C 582/15: “Eine derartige Anforderung überspannt das Ausmaß der sekundären Darlegungslast des Beklagten und sind aus rechtsstaatliehen Gesichtspunkten nicht zu erfüllen”).

Für das OLG München ist in der Abwägung zwischen Art. 6 GG und Art. 14 GG letzterem Grundrecht der Vorrang zu geben, weil ansonsten die Rechteinhaber schutzlos gestellt seien. Dies mag der Fall sein, übersieht aber, dass damit der Schutz der Familie in solchen Fällen effektiv ausgehöhlt wird, da es im Ergebnis dazu führen wird, dass Eltern in aller Regel Ansprüche befriedigen werden, weil sie nicht ihre Kinder als Verantwortliche benennen wollen. Inwieweit dies mit § 383 ZPO bzw. § 52 StPO vereinbar sein soll, ist nicht ersichtlich; ob die schriftlichen Urteilsgründe dies erklären können, wage ich allerdings zu bezweifeln.

Für die Abmahnindustrie wird dieses Urteil Wasser auf die Mühlen sein. Ob man hoffen kann, dass der BGH dies in der zugelassenen Revision wieder korrigiert, ist nach Tauschbörse I-III fraglich. Möglicherweise muss – gerade unter dem Gesichtspunkt des Familienschutzes – das Bundesverfassungsgericht eingreifen.

[ via Liz Collet ]

Nachtrag (14.01.2016, 14.00 Uhr): Hier findet sich die Pressemitteilung des OLG München zu diesem Fall.

OLG München: Schriftformklausel in AGB von Onlineportalen unwirksam

Wie der Kollege Stadler berichtet, hat das OLG München mit Urteil vom 09.10.2014 – Az. 29 U 857/14 – die Entscheidung des LG München I (Urteil vom 30.01.2014 – Az. 12 O 18571/13) als Vorinstanz bestätigt, wonach ein Online-Portal in seinen AGB nicht die Schriftform für eine Kündigung verlangen darf, weil das Gesetz in §§ 126 ff. BGB Alternativen zulässt und dieses Erfordernis somit gegen § 309 Nr. 13 BGB verstößt.

Anders, als noch das LG, hat das OLG seine Entscheidung – m. E. zu Unrecht – nicht auch noch auf § 307 Abs. 1 BGB gestützt. Die Vorinstanz hatte nämlich zu Recht festgestellt, dass eine solche Klausel – wenn der Vertrag im Übrigen online in Textform geschlossen und abgewickelt wird – den Verbraucher unzulässig benachteiligt, weil nur für eine ganz bestimmte – für das Online-Portal nachteilige – Erklärung die Schriftform verlangt wird. Der Verbraucher darf in einem solchen Fall nämlich davon ausgehen, dass jegliche Erklärungen in Textform abgegeben werden können.

Abmahneritis: Endgültiges positives Ende (für mich)

Die positive Nachricht vorweg:

Meine Leidensgeschichte wegen der Abmahnungen des Kollegen Winter ist zu Ende. Im Termin zur heutigen Verhandlung hat sein Terminsvertreter – nach einem sehr deutlichen ins Protokoll diktierten Hinweis des Senats, dass man gedenkt, den Antrag wegen missbräuchlichen Vorgehens i. S. d. § 8 Abs. 4 UWG zurückzuweisen – die Berufung gegen das Urteil des LG München I vom 03.06.2014 zurückgenommen. Das Urteil ist somit rechtskräftig.

Die schlechte Nachricht:

Die Impressumspflicht bei “XING” an sich sieht auch das OLG München und durch die Rechtskraft des Urteils des LG München I ist dies auch rechtskräftig so entschieden. Allen Kollegen mit “XING”-Profil ist daher zu raten, sich ein Impressum zuzulegen, selbst wenn sie das Profil nur privat nutzen.

Durch die Rücknahme der Berufung hat der Kollege Winter leider auch verhindert, dass das OLG ihm ein Urteil liefert, in dem sein missbräuchliches Vorgehen niedergeschrieben ist.


Es folgt mein Terminprotokoll der Verhandlung:

Weiterlesen

Abmahneritis: Hinweis auf mdl. Verhandlung vor dem OLG München

Leser dieses Blogs wissen, dass ich – wie eine Vielzahl von Kollegen – seit Anfang des Jahres einige “Schwierigkeiten” mit dem Kollegen Michael Winter habe, der es sich – so mein subjektiver Eindruck – zum Ziel gesetzt hat, mir das Leben schwer zu machen, weil ich als Privatperson auf meinem privaten XING-Profil kein anwaltliches Impressum hatte. Die entsprechenden Beiträge habe ich unter dem Stichwort “Abmahnungen” gesammelt.

Letzter Stand war, dass der Kollege Winter beim LG München I mit seinem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung gescheitert ist (Urteil mit Gründen und Besprechung) und hiergegen in Berufung gegangen ist, obwohl das Gericht ihm – rechtsfehlerhafterweise – zugestanden hatte, dass man auf XING ein Impressum bräuchte.

Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem OLG München ist

Donnerstag, 06.11.2014, 10.00 Uhr
im Sitzungssaal E.06 / EG.

Wer Zeit und Interesse hat, darf gerne vorbei kommen, um mir – oder Herrn Winter (wir leben in einem freien Land) – Unterstützung zu leisten. Allen anderen werde ich in diesem Blog auf dem Laufenden halten.

OLG München: Mithaftung des Vordermanns bei Auffahrunfall wegen zu geringen Sicherheitsabstand zum Vordervordermann

Zeichen 273 der StVO: SicherheitsDer Titel klingt kompliziert, der dem Schlussurteil vom 14.08.2014 – 10 U 1189/14 des OLG München (bisher nur bei beck-online unter BeckRS 2014, 16350 veröffentlicht) zugrundeliegenden Sachverhalt ist aber an sich recht einfach:

Auf dem Mittleren Ring in München, einer über die Stadtgrenzen hinaus bekannten Staufalle, war mal wieder stockender Verkehr. Der Beklagte fuhr mit 30-40 km/h seinem Vordermann mit einem Abstand von ca. 3 m hinterher, hielt also “leicht” weniger Sicherheitsabstand als eigentlich vorgeschrieben (15-20 m bei der Faustformel “halber Tacho” bzw. 8-11m bei der Faustformel “Strecke, die in 1 s zurückgelegt wird”). Sein Vordermann musste bremsen, weshalb der Beklagte eine Vollbremsung vollzog. Der Kläger fuhr ihm daraufhin auf.

Das LG München I hat dem Kläger mit Endurteil vom 26.02.2014 – Az. 19 O 23421/13 – die volle Haftung wegen der Anscheinsvermutung, dass der Auffahrende grds. allein Schuld trägt, auferlegt (vgl. BGH NZV 2007, 354)

Dies hat das OLG München so nicht stehen lassen wollen und dem Beklagten eine Mitschuld von 20 % zugesprochen, weil der Beklagte nur deshalb voll bremsen musste, weil er seinerseits den Sicherheitsabstand zu seinem Vordermann nicht eingehalten hat. Hätte er dies getan, so die Feststellungen des Gerichts, so wäre die Vollbremsung nicht erforderlich gewesen.

Auch in diesem Fall zeigt es sich, wie wichtig es ist, den Sicherheitsabstand einzuhalten. Dass viele Leute hierzu nicht in der Lage sind, erstaunt mich jeden Tag wieder aufs Neue.