Auch wenn Gustl Mollath (endlich) die beantragte Wiederaufnahme bekommen hat, hat das Bundesverfassungsgericht dessen Verfassungsbeschwerde gegen die Beschlüsse des Landgerichts Bayreuth und des Oberlandesgerichts Bamberg aus dem Jahre 2011 stattgegeben. In diesen war die Fortdauer der Unterbringung angeordnet bzw. die Beschwerde hiergegen als unbegründet verworfen worden.
Die zuständige Kammer des 2. Senats rügt in ihrem Beschluss, dass das Landgericht sich mit den Gutachten zu wenig auseinander gesetzt habe und die Prognoseentscheidung faktisch diesen Gutachtern überlassen habe, obgleich es Aufgabe des Gerichts war, “unter Berücksichtigung weiterer Hinweise des Sachverständigen und sonstiger Umstände des vorliegenden Falles diese Einschätzungen gegeneinander ab[zu]wägen und eine eigenständige Prognoseentscheidung [zu] treffen”. Insbesondere hätten zu erwartende Straftaten konkret benannt werden müssen, sowie dargelegt werden müssen, wieso die Wahrscheinlichkeit der Begehung solcher Taten so hoch gewesen wäre und auf welchen Tatsachen diese Prognose beruht.
Komplett missfällt dem Verfassungsgericht, dass sowohl LG als auch OLG die Verhältnismäßigkeit der Fortdauer ausschließlich mit Hinweis auf die ihm zur Last gelegten Körperverletzungsdelikte begründet haben. Zu Recht weist das Gericht darauf hin, dass es sich um Taten gehandelt habe, die – selbst wenn sie so geschehen sind – vor über zehn Jahren waren und nur im Rahmen der Ehe mit Mollaths Ex-Frau passiert sind, von der er ja zwischenzeitlich geschieden und getrennt war. Eine Darlegung, wieso die Gefahr bestünde, dass er aktuell(!) solche Körperverletzungsdelikte begehen würde, haben beide Gerichte nicht erbracht. Damit fehle es “bereits an einer zureichenden Grundlage für die Abwägung zwischen den Sicherungsinteressen der Allgemeinheit und dem Freiheitsanspruch des Beschwerdeführers”, so das Verfassungsgericht weiter, so dass die Beschlüsse aufzuheben und an das OLG Bamberg nach § 95 II BVerfGG zurückzuverweisen gewesen sei.
- Pressemitteilung des Bundesverfassungsgerichts zum Beschluss vom 26. August 2013 – 2 BvR 371/12
- Volltext des Beschluss vom 26. August 2013 – 2 BvR 371/12
Update (05.09.2013 – 11:38):
In ihrer bewährten Art, nur zu sehen, was ihr gefällt, hat die bayerische Justizministerin Beate Merk eine Pressemitteilung herausgeben lassen. Darin findet sich u. a. der “wunderbare” Satz:
Es ist wichtig, dass unser höchstes Gericht nun Klarheit geschaffen hat, welche Anforderungen an die Begründung von Entscheidungen über den lange währenden Freiheitsentzug eines Menschen gelten.
Das ist deshalb so pervers, denn das Verfassungsgericht hat mit seinem Beschluss nicht etwa neu erfunden, dass die Unterbringung verhältnismäßig sein muss. Sondern es hat – in sehr deutlicher Weise – gerügt, dass die betreffenden bayerischen Gerichte nicht über dieses Grundwissen verfügen. Also ist es sehr wohl eine “schallende Ohrfeige” für die Ministerin, wenn ihr aus Karlsruhe attestiert werden muss, dass sie Richter beschäftigt, die nichtmal die Grundlagen des Unterbringungsrechts beherrschen. Denn für deren Anstellung ist sie nunmal – bei aller Gewaltenteilung – zuständig!