DHL behauptet, mir persönlich Pakete gegeben zu haben

Ich hab – wie man das so macht in diesen modernen Zeiten – mal was online bestellt. Lieferung per DHL, heute irgendwann, kein Problem. Als ich dann von der Arbeit heim kam, war da kein Paket. Auch nix im Briefkasten. Macht nix, denk ich mir, wird halt morgen kommen. Man kann ja – moderne Zeiten und so – per Sendungsverfolgung schnell herausfinden, wo das Paket denn ist. Gesagt, getan, nicht schlecht gestaunt. Denn DHL behauptet steif und fest, das Paket sei ausgeliefert. Und zwar an mich. Persönlich.

dhl-2014-08-06Um 14:50 Uhr also, wo ich – durch Zeugen belegbar – 30km Luftlinie im Büro gesessen und gearbeitet hab.

Als Jurist frage ich mich natürlich zuallererst wie die rechtliche Situation aussieht.

Zivilrechtlich dürfte es einfach sein: Mein Anspruch gegen den Verkäufer besteht bis ich das Paket tatsächlich bekomme. Wenn DHL es sonstwo hinbringt, dann muss der Verkäufer dafür sorgen, dass DHL es zu mir bringt.

Interessant ist, ob ein solches Verhalten nicht auf strafrechtlich relevant sein könnte. Würde der Paketbote auf einem Zettel für mich unterschreiben, dass ich das Paket bekommen habe, dann wäre das relativ eindeutig eine Urkundenfälschung (§ 267 StGB). Nur hat der Paketbote ja kein Papier mehr, sondern ein kleines Gerät, auf dem man den Empfang der Sendung mit einer Unterschrift bestätigen soll. Spontan würde mir hierfür der § 269 StGB einfallen. Dann ist jedoch die Frage: Hat er für mich in meinem Namen oder in seinem Namen unterschrieben? In ersteren Fall wird ein Speichern falscher beweiserheblicher Daten zu bejahen sein, da es sich ja (bei Papier und Stift) um eine gefälschte Urkunde handeln würde. In letzteren Fall wäre es wohl nur ein Fall einer schriftlichen Lüge, wenn er quasi bestätigt, er habe das Paket mir übergeben. Dann wäre natürlich eine Prüfung des § 263 StGB gegenüber dem Verkäufer anzudenken, wenn damit vorgetäuscht werden soll, dass die Lieferung erfolgt ist und somit keine Schadensersatzansprüche bestünden.

Nur bei der Suche nach meinem Paket hilft mir das auch nix… :-/

Ecclestone: Deal statt Recht?

Bernie Ecclestones Verfahren wegen Bestechung wurde also gegen Zahlung von 100 Mio. Dollar nach § 153a StPO eingestellt. Unbequeme Wahrheitsfindung und Rechtsprechung entfallen. Nicht nur der von ihm bestochenen Ex-BayernLB-Vorstand Gribkowsky wird sich fragen, ob das noch Recht ist.

Welchen “Gefallen” das LG München I damit dem Ansehen der Justiz tut, erklärt Heribert Prantl am besten.

Gerechte Strafen?

Der Kollege Will berichtet unter dem Titel “Was ist eine gerechte Strafe?” von einem Fall, bei dem er erreichen konnte – im Rahmen eines “Deals” nach § 257c StPO – dass sein Mandant 2 Jahre Freiheitsstrafe auf Bewährung für den Vorwurf des zweifachen versuchten Totschlags erhalten hat.

Nicht nur, dass ein solches Urteil gleich den Mob beschwören wird, der (mglw. zu Recht) “Zu niedrig!” schreien wird, es zeigt auch, wie erheblich das Gefälle möglicher Strafen ist, je nachdem wo man das Glück oder Pech hat, vor Gericht zu stehen.

Bei mir wurden in diesem Zusammenhang Erinnerungen an einen Schwurgerichtsprozess beim LG München I wach, den ich als Referendar bei meiner Ausbilderin miterleben durfte:

Dem damaligen Mandant wurde auch ein versuchter Totschlag vorgeworfen. Vorausgegangen war exzessiver Alkoholkonsum aller Beteiligten und eine Auseinandersetzung, in deren Verlauf der spätere Geschädigte den Angeklagten auch nicht unsanft geschlagen hat. Im Rahmen dieser Schlägerei hat der Angeklagte dann den Geschädigten niedergestochen. Nach der Tat hat er diese – wenn ich mich recht erinnere – eingeräumt, sich beim Geschädigten entschuldigt (was dieser annahm) und einen Täter-Opfer-Ausgleich nach § 46a StGB durchgeführt.

Das Ergebnis damals: 10 Jahre und 6 Monate, also nur 9 Monate weniger als überhaupt rechtlich erlaubt waren (da die Höchststrafe nach § 46a i. V. m. § 49 Abs. 1 Nr. 2 StGB 11 Jahre und 3 Monate betrug).

Auch der größte Optimist kann bei solchen gravierenden Unterschieden in der Strafzumessung irgendwann den Glauben an die Gerechtigkeit von Strafen verlieren…

PS: Ich durfte dann im o. g. Verfahren eine Revisionsbegründung entwerfen. Was daraus geworden ist, weiß ich leider nicht, aber nachdem es zum 1. Strafsenat – damals noch unter Herrn Nack – ging, habe ich da wenig Hoffnung, dass es erfolgreich war.

Von “glaubhaften” Geständnissen und “unglaubwürdigen” Zeugen

Am Mittwoch fand eine Verhandlung in einer Strafsache beim Amtsgericht Ebersberg statt. Angeklagt war unser Mandant dafür, dass er in einer vorigen Verhandlung – gegen den anderweitig verfolgten und zur Zeit trotz 2er Haftbefehle nicht auffindbaren A – falsch ausgesagt haben soll.

Bei der Polizei hat der Mandant ausgesagt, er und sein Kumpel Z, haben sich an einem Tag im Jahre 2012 mit A getroffen, um von ihm Marihuana zu kaufen. In Wirklichkeit fand der Kauf von einem S statt, den der Z, aber nicht der Mandant kannte.

Er glaubte dabei, dass er sich für sein Verfahren Milde erhoffen kann, wenn er den A – einen ihm bekannten Dealer – benennt. Außerdem dachte er, wen er die Wahrheit sage – dass er den Verkäufer nicht kannte – man ihm nicht glauben würde. Angesichts der Reaktion der Staatsanwältin im Verfahren am Mittwoch eine nicht unwahrscheinliche Vermutung.

Kurze Zeit später hat er der Polizei gegenüber seine Aussage berichtigt und im Prozess gegen A folgerichtig die Wahrheit gesagt, nämlich dass der A da gar nicht dabei war. Die Richterin hielt den Mandanten für unglaubwürdig und verurteilte A aufgrund der polizeilichen Aussage des Mandanten.

Der Kumpel Z war kurze Zeit später ebenfalls vor der selben Richterin wegen seiner nicht unerheblichen BtM-Geschichten. Dort erzählte er u. a., dass er am fraglichen Tag vom S Drogen gekauft habe und nicht vom A. Unser Mandant sei da auch dabei gewesen. Als Zeuge wurde er in diesem Verfahren nicht vernommen. Die Richterin – die wie gesagt auch A verurteilt hat(!) – hat Z daraufhin ebenfalls verurteilt und die Verurteilung darauf gestützt, dass der Angeklagte ein glaubhaftes Geständnis abgelegt hat, welches sich mit den Ermittlungsergebnissen decke.

Alle drei Verfahren waren bei der selben Abteilung der Staatsanwaltschaft angesiedelt. Die Staatsanwältin – die den Z noch aufgrund dieser Aussage verurteilt sehen wollte – hat also Anklage gegen unseren Mandanten erhoben, weil es Falschaussage und versuchte Strafvereiteilung gewesen sein soll, dass er im Verfahren gegen A genau das selbe gesagt hat wie Z in seinem Verfahren.

Das ist auch dem Strafrichter – nun ein anderer – im Verfahren gegen unseren Mandanten aufgefallen. Der hat ihm nämlich nochmal erzählt, wie es wirklich war und auch der als Zeuge erschienene Z hat lang und breit erklärt, dass sie die BtM von S und nicht von A gekauft hätten. Die Staatsanwältin wirkte sichtlich erzürnt von diesen – ihrer Meinung nach falschen – Aussagen, musste aber einsehen, dass sie keinerlei Beweismittel benannt hat, die die Anklage stützen hätten können.

Sie wollte die Situation noch mit einer Nachtragsanklage (§ 266 StPO), aber das geht halt nur mit Zustimmung des Angeklagten. So kam es, wie es kommen musste, der Mandant wurde freigesprochen, die Staatskasse trägt unsere Kosten und die Staatsanwältin kann ihrer sachbearbeitenden Kollegin mitteilen, dass es vielleicht etwas widersprüchlich ist, jemanden anzuklagen für eine Aussage, von der man vorher ausging, sie entspräche der Wahrheit.

PS: Die Staatsanwältin hat natürlich eine neue Anklage wegen falscher Verdächtigung (§ 164 StGB) angekündigt. Nachdem diese Tat aber schon 2012 war und der Mandant Heranwachsender, wird es nach dann über zwei Jahren interessant, wie das Gericht es unter erzieherischen Gesichtspunkten vertreten will, diese Tat noch hart zu ahnden. Vor allem unter dem Gesichtspunkt, dass der Mandant unverzüglich nach seiner ersten Vernehmung seine Aussage berichtigen wollte. Man darf gespannt bleiben.

Lesehinweis: Kollege Meister berichtet darüber, was passiert, wenn die Ermittlungsbehörden ihren Job nicht richtig erledigen

Der Kollege Meister berichtet unter dem Titel “Ich glaube noch lange nicht alles” auf strafblog.de über einen Fall, bei dem die Staatsanwaltschaft und die Polizei sich wohl ziemlich blamiert haben.

Es zeugt aber auch davon, wie schnell manchmal Anklagen geschrieben und zugelassen werden, bei denen schon die grundlegenden Ermittlungen einfach nicht durchgeführt wurden. So amüsant das Geschehene auch erzählt sein mag, es kann nicht im Interesse des Rechtsstaats sein, tausende Euro zu verschwenden, damit sich in der Hauptverhandlung ergibt, was die Staatsanwaltschaft von vorneherein hätte ermitteln müssen. Noch schlimmer ist es natürlich, wenn der Angeklagte in der Zeit in Untersuchungshaft saß. Einen solchen Fall hab ich als Referendar erlebt (vgl. Berichte hier und hier).

Fall Hoeneß: StA München II verzichtet auf Revision

Die Staatsanwaltschaft München II hat angekündigt, im Fall Hoeneß auf eine Revision zu verzichten. Die Verurteilung zu 3,5 Jahren wird daher rechtskräftigt. Diese Entscheidung erleichtert sicherlich vielen Verteidigern die Arbeit, da Haftstrafen nach dem BGH-Mantra “1 Million = 1 Jahr” angesichts der Rechnung “28,5 Millionen = 3,5 Jahre” in Zukunft nicht bzw. nur noch sehr schwer zu begründen sein werden.

Hierzu auch lesenswert ist der Beitrag “Rechtsstaat adieu?! Die Staatsanwaltschaft verzichtet auf die Revision in Sachen Hoeneß!” des Kollegen Pohlen auf strafblog.de

Fall Teresa Z: LG München I bestätigt Urteil gegen Polizisten

Im Fall Teresa Z., der weit über die Grenzen Münchens hinaus für Aufsehen gesorgt hatte (früherer Eintrag hier), hat das Landgericht München I die Berufung des Täters als unbegründet verworfen. Damit bleibt es dabei, dass der Polizist zu 10 Monaten Freiheitsstrafe auf Bewährung verurteilt ist dafür, dass er dem gefesselten Opfer ins Gesicht schlug. Der damalige Münchner Polizeipräsident (und heutige Landespolizeipräsident!) hatte das Verhalten noch verteidigt, der heutige Polizeipräsident sich bei dem Opfer entschuldigt.

Dem Polizisten bleibt noch die Revision, wobei diese wohl wenig Aussicht auf Erfolg haben dürfte, da die Revisionsinstanz ja die Tatsachen nicht neu ermittelt.

Lesehinweis: VorsRiBGH Thomas Fischer zum Fall Edathy

Zu diesem Beitrag des vorsitzenden Richters des 2. Strafsenats des BGH Thomas Fischer in der ZEIT gibt es nur eines zu sagen:

Bravo Herr Fischer!

Ich hoffe stark, dass möglichst viele Leute sich seine Worte zu Herzen nehmen.

Fahrlässige Trunkenheit im Verkehr: Keine Tatmehrheit, wenn nach einem Unfall ohne Unterbrechung weitergefahren wird

Nach § 316 StGB wird derjenige bestraft, der ein Fahrzeug führt, obwohl er hierzu infolge des Genusses alkoholischer Getränke oder anderer berauschender Mittel nicht in der Lage war (vulgo: betrunken war). Nach Absatz 2 dieser Norm gilt dies auch, wenn die Tat fahrlässig begangen wird, was meist der Fall sein wird, da die Betrunkenen meistens glauben, sie könnten noch fahren.

Verursacht jemand in diesem Zustand einen Unfall, so wird ganz allgemein davon ausgegangen, dass dieser Unfall eine Zäsur darstelle, da auch ein Betrunkener spätestens jetzt merken muss, dass er nicht mehr fahrtüchtig sei. Fährt er trotzdem weiter, so macht er sich jetzt nach § 316 Abs. 1 StGB strafbar wegen einer vorsätzlichen Tatbegehung (bedingter Vorsatz). Beide Taten stehen dabei – obwohl sie einen Lebenssachverhalt betreffen – zueinander im Verhältnis der Tatmehrheit (§ 53 StGB), was sich i.d.R. straferhöhend auswirkt.

In einem Fall, den ich vor kurzem zu bearbeiten hatte, zeigte sich, dass das wahre Leben manchmal verrückter sein kann als die Fantasie eines jeden Juristen:

Der Mandant fuhr mit knapp 2 ‰ mit seinem Pkw auf der Straße. Von dieser kam er kurze Zeit später ab, raste in ein Feld und überschlug sich. Und zwar genau so, dass er wieder auf den Rädern gelandet ist. Hiervon wenig beeindruckt fuhr er weiter.

Das Amtsgericht hat ihn – zu Recht – nur wegen fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr gem. § 316 Abs. 2 StGB verurteilt. Zwar fand ein Unfall statt, aber da er ihn – zumindest nicht nachweisbar – tatsächlich bemerkt hat, gab es auch keinen Grund, eine Zäsur anzunehmen.

Fall Mollath: Verfassungsbeschwerde erfolgreich

Auch wenn Gustl Mollath (endlich) die beantragte Wiederaufnahme bekommen hat, hat das Bundesverfassungsgericht dessen Verfassungsbeschwerde gegen die Beschlüsse des Landgerichts Bayreuth und des Oberlandesgerichts Bamberg aus dem Jahre 2011 stattgegeben. In diesen war die Fortdauer der Unterbringung angeordnet bzw. die Beschwerde hiergegen als unbegründet verworfen worden.

Die zuständige Kammer des 2. Senats rügt in ihrem Beschluss, dass das Landgericht sich mit den Gutachten zu wenig auseinander gesetzt habe und die Prognoseentscheidung faktisch diesen Gutachtern überlassen habe, obgleich es Aufgabe des Gerichts war, “unter Berücksichtigung weiterer Hinweise des Sachverständigen und sonstiger Umstände des vorliegenden Falles diese Einschätzungen gegeneinander ab[zu]wägen und eine eigenständige Prognoseentscheidung [zu] treffen”. Insbesondere hätten zu erwartende Straftaten konkret benannt werden müssen, sowie dargelegt werden müssen, wieso die Wahrscheinlichkeit der Begehung solcher Taten so hoch gewesen wäre und auf welchen Tatsachen diese Prognose beruht.

Komplett missfällt dem Verfassungsgericht, dass sowohl LG als auch OLG die Verhältnismäßigkeit der Fortdauer ausschließlich mit Hinweis auf die ihm zur Last gelegten Körperverletzungsdelikte begründet haben. Zu Recht weist das Gericht darauf hin, dass es sich um Taten gehandelt habe, die – selbst wenn sie so geschehen sind – vor über zehn Jahren waren und nur im Rahmen der Ehe mit Mollaths Ex-Frau passiert sind, von der er ja zwischenzeitlich geschieden und getrennt war. Eine Darlegung, wieso die Gefahr bestünde, dass er aktuell(!) solche Körperverletzungsdelikte begehen würde, haben beide Gerichte nicht erbracht. Damit fehle es “bereits an einer zureichenden Grundlage für die Abwägung zwischen den Sicherungsinteressen der Allgemeinheit und dem Freiheitsanspruch des Beschwerdeführers”, so das Verfassungsgericht weiter, so dass die Beschlüsse aufzuheben und an das OLG Bamberg nach § 95 II BVerfGG zurückzuverweisen gewesen sei.

Update (05.09.2013 – 11:38):

In ihrer bewährten Art, nur zu sehen, was ihr gefällt, hat die bayerische Justizministerin Beate Merk eine Pressemitteilung herausgeben lassen. Darin findet sich u. a. der “wunderbare” Satz:

Es ist wichtig, dass unser höchstes Gericht nun Klarheit geschaffen hat, welche Anforderungen an die Begründung von Entscheidungen über den lange währenden Freiheitsentzug eines Menschen gelten.

Das ist deshalb so pervers, denn das Verfassungsgericht hat mit seinem Beschluss nicht etwa neu erfunden, dass die Unterbringung verhältnismäßig sein muss. Sondern es hat – in sehr deutlicher Weise – gerügt, dass die betreffenden bayerischen Gerichte nicht über dieses Grundwissen verfügen. Also ist es sehr wohl eine “schallende Ohrfeige” für die Ministerin, wenn ihr aus Karlsruhe attestiert werden muss, dass sie Richter beschäftigt, die nichtmal die Grundlagen des Unterbringungsrechts beherrschen. Denn für deren Anstellung ist sie nunmal – bei aller Gewaltenteilung – zuständig!