Der Kollege Will berichtet unter dem Titel “Was ist eine gerechte Strafe?” von einem Fall, bei dem er erreichen konnte – im Rahmen eines “Deals” nach § 257c StPO – dass sein Mandant 2 Jahre Freiheitsstrafe auf Bewährung für den Vorwurf des zweifachen versuchten Totschlags erhalten hat.
Nicht nur, dass ein solches Urteil gleich den Mob beschwören wird, der (mglw. zu Recht) “Zu niedrig!” schreien wird, es zeigt auch, wie erheblich das Gefälle möglicher Strafen ist, je nachdem wo man das Glück oder Pech hat, vor Gericht zu stehen.
Bei mir wurden in diesem Zusammenhang Erinnerungen an einen Schwurgerichtsprozess beim LG München I wach, den ich als Referendar bei meiner Ausbilderin miterleben durfte:
Dem damaligen Mandant wurde auch ein versuchter Totschlag vorgeworfen. Vorausgegangen war exzessiver Alkoholkonsum aller Beteiligten und eine Auseinandersetzung, in deren Verlauf der spätere Geschädigte den Angeklagten auch nicht unsanft geschlagen hat. Im Rahmen dieser Schlägerei hat der Angeklagte dann den Geschädigten niedergestochen. Nach der Tat hat er diese – wenn ich mich recht erinnere – eingeräumt, sich beim Geschädigten entschuldigt (was dieser annahm) und einen Täter-Opfer-Ausgleich nach § 46a StGB durchgeführt.
Das Ergebnis damals: 10 Jahre und 6 Monate, also nur 9 Monate weniger als überhaupt rechtlich erlaubt waren (da die Höchststrafe nach § 46a i. V. m. § 49 Abs. 1 Nr. 2 StGB 11 Jahre und 3 Monate betrug).
Auch der größte Optimist kann bei solchen gravierenden Unterschieden in der Strafzumessung irgendwann den Glauben an die Gerechtigkeit von Strafen verlieren…
PS: Ich durfte dann im o. g. Verfahren eine Revisionsbegründung entwerfen. Was daraus geworden ist, weiß ich leider nicht, aber nachdem es zum 1. Strafsenat – damals noch unter Herrn Nack – ging, habe ich da wenig Hoffnung, dass es erfolgreich war.