Hätten Sie denn nicht kollegialiter einen Parteiverrat begehen können?

Es ergeht ein Versäumnisurteil (VU) am hiesigen Gericht, weil der Kollege nicht erschienen war. Am nächsten Tag legt er Einspruch ein, begründet diesen lang mit EDV-Problemen, die seine Termine gelöscht hätten und warum das VU ohnehin nicht hätte ergehen dürfen. Soweit, so alltäglich.

Der Schriftsatz schließt aber mit einer bemerkenswerten Beschwerde über meinen Kollegen:

Es ist unschön genug, dass der Klägervertreter trotz Kenntnis der Telefonnummer des Unterfertigten, die auf dem Briefkopf aufgeführt ist, nicht wenigstens aus dem Termin antelefoniert hat, da dann eine kollegiale Verlegung hätte erfolgen können.

Stimmt, hätte er machen können. Und dann hätte er sich gleich noch selbst wegen Parteiverrat (§ 356 StGB) anzeigen können. So kollegialiter halt… 😉

4 Gedanken zu „Hätten Sie denn nicht kollegialiter einen Parteiverrat begehen können?

  1. Das wäre womöglich eine Verletzung anwaltsvertraglicher Pflichten gewesen, aber ganz sicher kein Parteiverrat i.S.v. § 356 StGB.

    • “Ganz sicher” ist nichts, schon gar nicht in Jura.

      Dienen i. S. d. § 356 StGB “umfaßt jede berufliche Tätigkeit des Anwalts rechtlicher oder tatsächlicher Art, durch die das Interesse des Auftraggebers […] gefördert werden soll” (BGHSt 7, 17), wobei auch das Unterlassen eine Tätigkeit sein kann (BayObLG NJW 1959, 2223).

      Wem nützt das Absehen von der Beantragung eines VU? Doch nur dem Gegner, der dadurch vermeidet, dass ein vollstreckbarer Titel entsteht. Der Mandant hat dadurch einen Nachteil, weil dann eben kein vollstreckbarer Titel existiert. M. E. genügt das, um den Tatbestand des § 356 StGB zu bejahen.

  2. Naja, “beiden Parteien durch Rat oder Beistand pflichtwidrig dienen” ich hier so auch nicht.

    Aber auch egal, das Thema “kollegialiter beantragt man kein VU” ist seit ca. 20 Jahren durch – was jemandem, der sich als “Unterfertigter” bezeichnet, ggf. neu ist.

  3. Pingback: Wochenspiegel für die 23. KW., das war die Farce „beA“, Section Control, Cramming und der VW-Skandal – Burhoff online Blog

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