Wenn der Kronzeuge kalte Füße bekommt…

Heute habe ich eine meine Ausbildungsrechtsanwältinnen in die Hauptverhandlung begleitet, in der gegen einen anderen Angeklagten verhandelt wurde, der vom selben Haupt- (und Einzig-)Belastungszeugen der Staatsanwaltschaft belastet wurde wie ihr Mandant auch. Die Anklage war bereits ein kleines Meisterwerk und stützte sich quasi ausschließlich auf die Aussage des Herrn S., der seinerzeit – in einem Anfall von staatsbürgerlicher Pflicht? – den § 31 BtMG entdeckt hat und beschlossen hatte, gegen eine Reihe von Leuten auszusagen. In seinem eigenen Verfahren wegen BtM wurde Herr S. zuvor bereits verurteilt, seine Berufung ist jedoch noch offen. Nachdem die Staatsanwältin also ihr Meisterwerk vorgelesen hatte und der Angeklagte von seinem Aussageverweigerungsrecht Gebrauch gemacht hatte, war also Herr S. dran. Er kam – mit Zeugenbeistand – setzte sich hin, bestätigte seine Personalien und berief sich dann auf sein Auskunftsverweigerungsrecht, da ja ein Verfahren gegen ihn noch läuft. Sprachs, wurde entlassen und verschwand.

Zu diesem Zeitpunkt tat mir die Staatsanwältin ja noch leid. Quasi ihre ganze Anklage war wohl auf der Aussage dieses Zeugen aufgebaut. Der Mandant meiner Anwältin und ein anderer – ebenfalls von Herrn S. beschuldigter – wurden noch als Zeugen gehört, aber beriefen sich – wohl vorhersehbar für die Staatsanwältin – ebenfalls auf ihr Auskunftsverweigerungsrecht. Auch Versuche der Staatsanwältin, den § 55 StPO extrem wörtlich auszulegen, halfen da nichts, da auch höchstrichterlich anerkannt ist, dass im BtM-Bereich quasi jede Antwort bereits eine mögliche Selbstbelastung zur Folge haben kann. Die Dame wirkte daher etwas verzweifelt, wollte aber nichts unversucht lassen, um die Aussage von Herrn S. doch noch einzuführen. Daher wurden die Kripo-Beamten kurzfristig ins Gericht geladen, die aber – mit mehreren Vorhalten – nur wiederholen konnten, was bereits in den Vernehmungsprotokollen zu lesen stand und – abgesehen davon dass es sowieso nur noch Hörensagen war – die Anklage nicht genug stützen konnten. Daher wollte die Staatsanwältin den Richter als Zeugen hören, der Herrn S. erstinstanzlich verurteilt hat und gegen dessen Urteil Herr S. Berufung eingelegt hat. Erklären, was dieser beweisen können solle, was nicht bereits in dessen Urteil bzw. Verhandlungsprotokoll steht und von den Kripo-Beamten gesagt wurde, konnte sie nicht. Entsprechende Einwände der Verteidigung ließ sie nicht gelten.

Da der Richter selbst Verhandlungen hatte, musste die Verhandlung daher unterbrochen werden und geht am Freitag weiter. Ich bin ja mal gespannt, was die Staatsanwältin dann noch für Ideen hat.

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