Anfängerfehler: Pauschales Bestreiten im Zivilprozess

Der weitere Vortrag der Beklagten wird, soweit nicht ausdrücklich zugestanden, bestritten.

So gelesen in einem Schriftsatz eines Fachanwalts für Strafrecht, der sich wohl mit zivilrechtlichen Mandaten etwas hinzuverdienen will. Leider hat der Kollege dabei übersehen, dass die h. M. ein solches Bestreiten für unbeachtlich erachtet (vgl. BGH NJW 2010, 1357; Zöller-Greger, § 138 Rn. 10a).

Ich will aber jetzt keine Kollegenschelte für Fehler betreiben, die jedem Referendar eigentlich im ersten Monat ausgetrieben werden sollten. Sondern vielmehr darauf hinweisen, wie gefährlich es ist, sich zu solch pauschalen Floskeln verleiten zu lassen. Wenn selbst erfahrene Kollegen es nicht vermeiden können, dann gilt dies erst recht für junge Kollegen, die gerade mit dem Beruf anfangen.

Die Konsequenzen dieses Fehlers sind nämlich potentiell desaströs:

Alles, wozu nichts gesagt wurde, gilt nach § 138 Abs. 3 ZPO als zugestanden. Bemerkt man diesen Fehler nicht rechtzeitig, besteht die Gefahr, mit ausführlichen Gegenvortrag nach § 296 ZPO präkludiert zu sein. Und weil die Präklusion sich in aller Regel in die zweite Instanz überträgt (§ 531 Abs. 2 ZPO), kann man gleich nach einer entsprechenden Entscheidung des Gerichts seine Berufshaftpflichtversicherung anrufen.

5 Gedanken zu „Anfängerfehler: Pauschales Bestreiten im Zivilprozess

  1. Der typische Anfängerfehler besteht darin zu glauben, dass alles, was man schreibt, auch gelesen wird. Nach einigen Jahren Berufserfahrung korrigiert man das dann und entwickelt kreative Prozessführungsmöglichkeiten, die allerdings weder beim Repetitor noch im Lehrbuch erwähnt werden.

    Und: es gibt, wenn man die Gefährdungslage im Hinblick auf
    § 296 ZPO erkannt hat, die berühmte Flucht in das Versäumnisurteil. In der Einspruchsschrift kann alles nachgeholt werden – ohne Präklusion. Ob das dann gelesen wird ist allerdings unklar.

    • Mit zu spät meinte ich natürlich, dass man die Flucht in die Säumnis auch nicht erkannt hat. Aber auch die Kosten dafür sind dem Mandanten als Schaden zu ersetzen, wenn man sich nur in die Säumnis retten musste, weil man das vorher falsch gemacht hat

  2. Das ist so aber ebenfalls nicht richtig. Unsubstantiiertes Bestreiten ist (auch nach der zitierten BGH-Entscheidung) nur bei der darlegungsbelasteten Partei unbeachtlich.

    • Es geht insoweit ja nicht um die “Darlegungslast” (= “Beweislast”), sondern um die “Erklärungslast” i. S. d. § 138 II ZPO.

      Wer pauschal bestreitet, bestreitet – soweit richtig – unsubstantiiert. Unsubstantiiertes bzw. pauschales Bestreiten ist jedoch nur dann zulässig, wenn unsubstantiiert vorgetragen wurde (vgl. BAG NJW 2004, 2848, 2851). Wird jedoch substantiiert vorgetragen, dann muss auch substantiiert bestritten werden.

      Beispiel:
      Der Kläger behauptet X. Der Beklagte bestreitet X (zu Recht) mit Nichtwissen und behauptet im Übrigen Y, wofür er die Beweislast trägt und auch Beweis anbietet.

      Nach § 138 II ZPO muss sich jede Partei – unabhängig von der Beweislast – über die vom Gegner behaupteten Tatsachen erklären. Wenn nun der Kläger repliziert “Alles nicht zugestandene wird bestritten”, dann gilt Y nach § 138 III ZPO als zugestanden, weil ein substantiierter Vortrag unbeantwortet blieb.

      So auch der BGH in der zitierten Entscheidung :
      Die erklärungsbelastete Partei hat – soll ihr Vortrag beachtlich sein – auf die Behauptungen ihres Prozessgegners grundsätzlich “substantiiert” (d.h. mit näheren positiven Angaben) zu erwidern (BGH, Urt. v. 11. Juni 1985 – VI ZR 265/83, NJW-RR 1986, 60). Ein substantiiertes Vorbringen kann also grundsätzlich nicht pauschal bestritten werden (BAG NJW 2004, 2848, 2851).

  3. “Der weitere Vortrag der Beklagten wird, soweit nicht ausdrücklich zugestanden, bestritten.” Die Sinnlosigkeit besteht darin, dass § 138 III ZPO das genaue logische Gegenteil beinhaltet: alles, was nicht bestritten wird, ist zugestanden.

    Man findet solche logischen Umkehrungen öfter ( ein beliebter Manipulationstrick, um ein vorher feststehendes Ergebnis zu produzieren ). Vor Kurzem wurde ich damit konfrontiert, dass eine Zahlungspflicht deshalb entstanden sein soll, weil der Anspruchsteller NICHT geleistet hat. Die Rechnung genügte. Muster: A,B,C,D und E sprechen für den Anspruchsteller, deshalb ( oder aber dennoch ) entscheiden wir für den Anspruchgegner ( oder umgekehrt, je nach Bedarf ), weil keine weiteren Gründe für den Anspruchsteller sprechen.

    Oder: da nicht ausgeschlossen werden kann, dass XY zu der XYZA-Bande gehört hat, muss er als deren Mitglied angesehen werden. Dazu noch ein rhetorischer Tupfer: dies ist aus Gründen übergeordneten Staatsinteresses geboten.
    Ein Hammer zum Abschluss: es ist ein absolutes Gebot der Gerechtigkeit sowie im Sinne der Funktionsfähigkeit der Rechtspflege unerlässlich, die Gefährlichkeit der verdeckten Tatausführung zu berücksichtigen und eine generalpräventiv orientierte Bestrafung vorzunehmen.

    Das sieht alles gut aus, ist aber grob unlogisch.

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