Filesharing: LG Potsdam gegen Überspannung der sekundären Darlegungslast

Mit Urteil vom 08.01.2015 – Az. 2 O 252/14 – hat das LG Potsdam eine Filesharing-Klage im typischen Familienszenario (Anschlussinhaberin bewohnt Wohnung mit Ehemann und minderjährigen Kindern) abgewiesen, weil die Klägerin u. a. deren Täterschaft nicht nachweisen konnte (Volltext bei JurPC).

Die Posse fing schon damit an, dass die Klägerin gar nicht darlegen konnte, dass sie überhaupt existiert und der Klägervertreter damit auch nicht, dass er ordnungsgemäß bevollmächtigt wurde. Das hatte die Beklagte nämlich bestritten.

Das Gericht, dass die Klage dafür schon als unzulässig hätte abweisen können, beschäftigte sich aber noch mit der Begründetheit und fand auch hier deutliche Worte, wieso keine Haftung nach § 97 II UrhG vorliegt:

Zur Vermutung der Täterschaft:

Gemäß der Bearshare-Entscheidung des Bundesgerichtshofs besteht zunächst eine durch den Anschlussinhaber zu widerlegende tatsächliche Vermutung seiner Alleinnutzung, die bereits dann widerlegt ist, wenn weitere Personen freien Zugriff auf den Anschluss hatten. […]

Eine Veränderung der Beweislast ist mit dieser sekundären Darlegungslast nicht verbunden, vielmehr ergibt diese sich ausschließlich darauf, dass der Vortrag von Tatsachen geboten ist, die für die Beklagtenseite leicht vortragbar sind, während sie sich der sphäre der beweisbelasteten Klägerseite entziehen (BGH NJW 2014, 2360).

Die tatsächliche Vermutung der Alleinnutzung des Anschlusses durch die Beklagte ist bereits dadurch widerlegt, dass gemäß der ihrer Angaben der Ehemann […] sowie der […] Sohn […] im Haushalt der Beklagten wohnen und freien Zugriff auf den Internetzugang hatten.

Zur Darlegung der konkreten Nutzung:

[…] schon die abstrakte Zugriffsmöglichkeit lässt unabhängig von der tatsächlichen Nutzung zu einem bestimmten Zeitpunkt die Grundlage des vom BGH angenommenen Erfahrungssatzes, dass der Anschlussinhaber als typischer Alleinnutzer anzusehen sei, entfallen.

Zu Nachforschungspflichten:

Der Umfang der sekundären Darlegungslast hat sich daher auf diejenigen Informationen zu beschränken, die in der Sphäre des Anschlussinhabers zugänglich sind und zumutbar vorgetragen werden können; keinesfalls dürfen überspannte Anforderungen an dieser Stelle im Ergebnis zu einer Beweislastverschiebung führen […]

Weitergehender Vortrag, insbesondere dazu, welche Personen zu den Zeitpunkten der behaupteten Rechtsverletzungen den Anschluss tatsächlich genutzt haben, ist hingegen im Rahmen der sekundären Darlegungslast nicht geboten. Im Hinblick auf die Alltäglichkeit der Computernutzung und die üblicherweise fehlende Buchführung hierzu handelt es sich hierbei nicht um Umstände, die üblicherweise in der Sphäre des Anschlussinhabers zur Verfügung stehen, weswegen Darlegungen hierzu nicht gefordert werden können. […]

Weitergehende Aufklärungspflichten, insbesondere bezüglich einer nachträglichen Feststellung der Person des Täters, treffen den Anschlussinhaber jedenfalls im familiären Umfeld nicht.

Damit reiht sich das LG Potsdam mit guter Argumentation in die Reihe der Gerichte ein, die die Auswüchse bei der sekundären Darlegungslast zu Recht als mit der BearShare-Entscheidung des BGH für beendet erachten. Allein das AG München und LG München I scheinen sich noch zu wehren, sich dieser Rechtsprechung anzuschließen.

via law blog

Schika-was?

Manche Arbeitgeber gehen davon aus, dass ihr Wort Gesetz ist und der Arbeitnehmer gefälligst zu tun hat, was man ihm anschafft, egal ob er dafür eingestellt wurde oder nicht. Da soll der Oberarzt auch mal die Toiletten schrubben und der IT-Techniker den Schnee schippen. Ganz besonders allergisch reagiert dieser Typ Arbeitgeber dann auf Arbeitnehmer, die ihre Rechte kennen und sich weigern, solche Aufgaben zu übernehmen. Dann wird der Arbeitgeber erst richtig kreativ mit der Zuteilung schikanöser…äh…sinnvoller Tätigkeiten.

So ergeht es auch einem Mandanten. Er ist als Haustechniker in einer Klinik angestellt, was den Arbeitgeber nicht daran hindert, ihn zum Schrubben der Treppen und Schneiden der Bäume einzuteilen. Der neueste Einfall: Er solle die Bettennotfallrampe abschleifen und neu streichen. Diese soll dazu dienen, im Notfall die Krankenbetten zu evakuieren. Eigentlich eine gute Idee – wenn sie nicht an einem Fenster mit 80 cm Breite angebracht worden wäre. Die Betten sind nämlich mindestens einen Meter breit.

Ein Schelm, wer da Böses denkt…

“…werden wir diesen gerichtlich durchsetzen”

In der gefühlten unendlichen Geschichte eines Rechtsstreits zwischen unserem Mandanten und einem großen Energieversorger (ich hatte hier, hier und hier darüber berichtet) hatten wir beim zuständigen Amtsgericht – bei dem bereits der Rechtsstreit über die Duldung der Sperrung anhängig ist – eine einstweilige Verfügung erwirkt, die es dem Energieversorger untersagt, die Sperrung durchzusetzen, bis nicht der Rechtsstreit erledigt ist.

Davon unbeeindruckt – oder weil die einstweilige Verfügung noch nicht bei einer der vielen damit befassten Stellen angekommen scheint – erhielt unser Mandant eine weitere Androhung der Einstellung der Energieversorgung. Besonders ironisch dabei folgender Abschnitt des Schreibens:

Bitte ermöglichen Sie ab diesem Tag den Zutritt zum Zähler. Vielen Dank. Sollte kein Zutritt möglich sein, werden wir diesen gerichtlich durchsetzen.

Formbrief oder nicht, aber etwas anzudrohen, was man gerade eben bereits versucht, ist m. E. etwas peinlich. Oder wäre es, wenn die betreffende Abteilung wüsste, womit denn andere Abteilungen im Haus sich beschäftigt habe.

PS: Begründung des Gerichts für den Erlass der einstweiligen Verfügung? U. a. venire contra factum proprium.

Mietzins hat man zu haben – auch wenn man Sozialhilfe beantragt hat

So kann man das Urteil des BGH vom heutigen Tage – Az. VIII ZR 175/14 – zusammenfassen. Wie der Pressemitteilung zu entnehmen ist, sieht der BGH es als unproblematisch an, wenn einem Mieter wegen Nichtzahlung nach § 543 II 2 Nr. 3 BGB gekündigt wird, selbst wenn dieser sich rechtzeitig um die Übernahme der Miete durch einen Dritten – hier das Sozialamt – bemüht hat, dieser aber die Zahlung bis dahin noch nicht bewilligt hat und dadurch eine Verzögerung der Mietzahlung eintritt.

§ 543 II 2 Nr. 3 BGB sei, so der BGH, ein gesetzlich normierter Fall, in dem zugunsten des Vermieters die Abwägung der Unzumutbarkeit nach § 543 I BGB schon typisiert worden ist. Der Mieter sei durch die Vorschrift des § 569 III Nr. 2 BGB hinreichend geschützt; erfüllt der Mieter innerhalb von zwei Jahren seine Verpflichtungen in einem solchen Maße nicht, dass der Vermieter kündigen dürfe, so machen auch besondere Umstände, insbesondere fehlendes Verschulden, die Kündigung nicht unwirksam. Auch der Mieter habe “nach dem Prinzip der einer Geldschuld zugrunde liegenden unbeschränkten Vermögenshaftung (“Geld hat man zu haben”) ohne Rücksicht auf ein Verschulden für seine finanzielle Leistungsfähigkeit einzustehen”.

Kommentar:

Die Entscheidung des BGH mag kaltherzig klingen, sie liegt aber auf der Linie dessen, was der Gesetzgeber durch die Einführung des § 569 III Nr. 2 BGB erreichen wollte: Vermieter sind nicht dafür zuständig, Wohnraum Leuten zur Verfügung zu stellen, die ihre Miete nicht zahlen (können), sondern der Sozialstaat. Verpflichtet sich die Behörde, die Mietrückstände zu übernehmen oder zahlt der Mieter nach, so führt dies nach dem Willen des Gesetzgebers nur einmal in einem 2-Jahres-Zeitraum dazu, dass die Kündigung unwirksam wird. Gerade weil der Gesetzgeber dies ausdrücklich so geregelt hat, wäre es verfehlt, bei einer wiederholten Nichtzahlung innerhalb dieses Zeitraums diese Intention durch den Umweg über § 543 I BGB zu revidieren.

…und der rechte Fuß noch mitmischt…

Hier und hier hatte ich von einem Fall berichtet, in dem der selbe Mandant als Kunde eines großen Energieversorgungsunternehmens

  1. ein Mitteilung, wonach der seit über einem Jahr bestehende Streit gütlich gelöst werden soll,
  2. in der Folge eine Klage auf Duldung der Stromzufuhrunterbrechung
    und
  3. eine Androhung selbiger Unterbrechung nach Erhebung und Rechtshängigkeit der Klage

erhalten hat. Weil scheinbar noch nicht genug Leute mitmachen durften, kam heute – ohne in irgendeiner Weise einen Bezug zu den bereits parallel laufenden Verfahren aufzuweisen – eine weitere Rechnung über wieder einen anderen Betrag. Die bisherigen Schreiben unsererseits zu den o. g. Ziffern 1 – 3 blieben derweil ungehört.

Wenigstens kostet diese Misswirtschaft nach der Privatisierungswelle der 90er-Jahre das Geld der Aktionäre und nicht mehr das der Steuerzahler.

BGH: Rauchen am Balkon kann (möglicherweise) teilweise untersagt werden

rauchverbot vielleicht

Wie der BGH heute in einer Pressemitteilung schreibt, hat man den Rechtsstreit zweier Mieter gegen ihren rauchenden Nachbarn (Vorinstanzen: AG Rathenow, Urteil vom 6. September 2013 – Az. 4 C 300/13 und LG Potsdam, Urteil vom 12. März 2014 – Az. 1 S 31/14) mit Urteil vom 16.01.2015 – Az. V ZR 110/14 – an das Berufungsgericht, welches die Klage abgewiesen hatte, zurückverwiesen, da zumindest die theoretische Möglichkeit besteht, dass Zigarettenqualm auf dem Balkon nicht die ganze Zeit geduldet werden muss.

Entscheidend sei, so der BGH, ob die nicht nur “mit dem Tabakrauch verbundenen Beeinträchtigungen nur unwesentlich sind”. In diesem Fall kann es geboten sein, trotz des Anspruchs des rauchenden Mieters auf freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, Zeiten frei zu halten, in denen die Nachbarn durch das Rauchen nicht gestört werden. Selbst wenn nur eine unwesentliche (und damit nach §§ 1004, 906 I 1 a. E. BGB hinzunehmende) Geruchsbelästigung vorliegt, könnten Abwehransprüche bestehen, wenn gesundheitliche Gefahren drohen.

Die Sache wurde zurückverwiesen, damit das Landgericht Feststellungen treffen kann, “ob der Rauch auf dem Balkon der Kläger als störend wahrnehmbar ist oder – wenn das zu verneinen sein sollte – ob im konkreten Fall von dem Tabakrauch gesundheitliche Gefahren ausgehen, wie die Kläger unter Hinweis auf eine Feinstaubmessung behaupten”.

Mieter sollten sich also nicht zu früh über dieses Urteil freuen: Den rauchenden Nachbarn kann man nur dann (teilweise) Einhalt gebieten, wenn die nicht unwesentliche Beeinträchtigung bzw. gesundheitlichen Gefahr im konkreten Einzelfall nachgewiesen ist.

Wenn der linke Fuß nicht weiß, was die rechte Hand tut…

Ich hatte hier von einem Fall berichtet, in dem ein großes Energieunternehmen gegen unseren Mandanten versucht, Forderungen zu betreiben, die so nicht oder in anderer Höhe korrekt sind.

Nachdem die linke Hand eine gütliche Lösung der Sache behauptet hat zu wollen, hat die rechte Hand eine Rechtsanwaltskanzlei beauftragt, die Duldung der Sperrung gerichtlich durchzusetzen. Das Verfahren läuft noch. Dessen ungeachtet hat der linke Fuß des Unternehmens (beide Hände haben ja schon unabhängig voneinander was getan) nun dem Mandanten nochmals angedroht, die Stromversorgung zu sperren, obwohl die Kollegen gerade dies gerichtlich versuchen durchzusetzen.

Ich weiß ja, dass gerade in großen Unternehmen viel Kommunikation schief läuft, aber man sollte doch zumindest meinen, dass der selben Kundennummer(!) im System so viele Informationen zugeordnet werden, dass sich nicht drei oder vier Mitarbeiter parallel mit dem selben fiktiven Problem beschäftigen.

Was ein solches Verhalten für die Kundenzufriedenheit bedeutet, kann sich jeder selbst ausmalen.

Warnung: Unseriöse E-Mail-Abmahnung im Namen der Easy Pay Sol UG

Ein Mandant leitete uns folgende E-Mail zu:

Von: “Buchhaltung – Easy Pay Sol UG” <mahnwesen@easypaysol.com>

An: “X” <X@Y.Z>

Betreff: Rechnung

Sehr geehrter Herrn X,

wir, die Easy Pay Sol UG vertreten die DLR INC., die die Rechte an diversen Filmen im Erotikbereich besitzt.

Bei Ihrem Besuch auf einer der nachfolgenden illegalen Internetseiten wurde Filmmaterial, dessen Rechte unser Mandant besitzt, genutzt und damit gegen das Urheberrecht verstoßen:

www.pornhub.com, www.xvideos.com, www.xhamster.com, www.mdporn.com, www.youporn.com, www.youjizz.com

Ihre IP-Adresse wurde eindeutig Ihnen zugewiesen. Damit ist klar, dass von Ihrem Anschluss, für den Sie nach § 7 TMG verantwortliche Person sind, diese Urheberrechtsverletzung begangen wurde.

Durch Nutzung der Homepage und Betrachtung des Filmmaterials wurden Sie Teil eines P2P-Sharing-Netzwerkes, was den Straftatbestand der illegalen Verbreitung von urheberrechlich geschützten Materials erfüllt (s. Urteil/Beschluss Landgericht München I, AZ 7 O 27431/13 vom 16.12.2013).

Die DLR INC. hat uns beauftragt, Ihnen die Nutzung des Videos in Rechnung zu stellen und Sie aufzufordern, ein weiteres Nutzen zu unterlassen, was wir hiermit tun.

Um die Angelegenheit außergerichtlich zu klären, bieten wir Ihnen einen Vergleich an:

Sie begleichen die unten aufgeführte Rechnung in Höhe von 29,61 EUR und erklären eine weitere Nutzung der Filme zu unterlassen. Im Gegenzug erklären die DLR INC. und wir als Ihr Beauftragter alle Forderungen und Ansprüche gegen Sie als erledigt.

Wir empfehlen Ihnen diesen Vergleich anzunehmen, um weitere Kosten (Mahnkosten, Anwaltskosten, Gericht,…) und Unannehmlichkeiten zu vermeiden.

Hiermit stellen wir folgenden Betrag in Rechnung: 29,61 EUR

Überweisen Sie den Betrag an folgende Bankverbindung:

Kontoinhaber: Easy Pay Sol UG

IBAN: DEXX XXXX XXXX XXXX XXXX XX
BIC: CCCCCCCXXX

Kt.-Nr.: XXXXXXXXXX
BLZ: XXX XXX XXX
Bank: XXX

Verwendungszweck: R.Nr.: XXX

Bei Rückfragen wenden Sie sich an unsere Hotline: 01805 – XXX XXX (14 Cent / Festnetz Deutschland).

Mit freundlichen Grüßen

Easy Pay Sol UG

Die Art der vorgeworfenen Urheberrechtverletzung (pornographisches Material) und der geringe Zahlbetrag sollen wohl dazu dienen, dass die angeschriebenen Personen lieber das Geld zahlen als zu riskieren, dass herauskommt, dass sie möglicherweise solches Material konsumiert haben. Da der Konsum von solchen Material sehr weit verbreitet ist, kann sich der Versender der E-Mail sicher sein, dass ein Großteil der Angeschriebenen ein „schlechtes Gewissen“ hat.

Dass es sich hierbei nicht um eine seriöse Abmahnung handelt, wird relativ schnell klar:

Schon der angebliche Verstoß ist nicht eingrenzbar. Das angeblich angesehene urheberrechtlich geschützte Material und die angeblich ermittelte IP-Adresse wurden nicht benannt und keine zeitliche Eingrenzung vorgenommen. Die genannten Portale “streamen” Videos nur und bedienen sich nicht der P2P-Technologie. Dass Streaming legal ist, ist jedoch schon geklärt.

Im Übrigen existiert eine Entscheidung des LG München I mit dem Az. 7 O 27431/13 nicht (und wäre auch verwunderlich, da in solchen Fällen eigentlich nie erstinstanzliche Urteile eines Landgerichts ergehen) und der angegebene § 7 TMG regelt gar nichts für solche Fälle Relevantes.

Hinweis für solche Fälle:
Seriöse Firmen verschicken keine Abmahnungen per E-Mail, sondern immer per Brief und benennen den angeblichen Verstoß auch konkret. Eine Unterlassung kann nämlich nur dann gefordert werden, wenn die zu unterlassende Handlung klar abgrenzbar ist, also vor allem mitgeteilt wird, welches urheberrechtlich geschützte Werk betroffen sein soll.

Allen Betroffenen ist zu raten, in einem solchen Fall nicht zu zahlen oder zu reagieren und im Zweifel einen Anwalt aufzusuchen.

PS: Sollte diese E-Mail tatsächlich von der Easy Pay Sol UG versandt worden sein, so verstößt diese auf jeden Fall gegen § 5a GmbHG.

Fackeln an und Mistgabeln schärfen!

Quelle:  Robert Couse-Baker / flickr.com, Verwendung unter CC-BY-2.0-Lizenz
Quelle: Robert Couse-Baker / flickr.com
[CC-BY-2.0-Lizenz]

Auch in einer kleinen Landkanzlei, in der ich arbeite, gibt es Mandate, für die sich die Presse interessiert.

Der Sachverhalt wirkt auf den ersten Blick recht einfach:
Der Mandant hat gegen den Pächter seines Bauernhofes, nennen wir ihn mal Josef Untermüller, über zwei Instanzen, zuletzt beim OLG München, einen Räumungstitel erwirkt, weil dieser eigenmächtig entschieden hat, dass er nur 1/4 der vereinbarten Pacht zahlen müsse und auch sonst sich nicht besonders um die Regelungen im Pachtvertrag gekümmert hat.

Komplizierter wird der Fall durch die persönlichen Verhältnisse:
Der Verpächter ist der Vater des Pächters, der darüber hinaus seit 20 Jahren unter Betreuung seiner Ehefrau, Erika Untermüller, steht. Der Pächter hat im Übrigen 5 Kinder und eine Ehefrau, die die Altbäuerin nicht besonders mag. Die Familienverhältnisse sind also gelinde gesagt “zerrüttet”.

In diesem Fall hat daraufhin eine ehemals seriöse große Tageszeitung, die seit längerer Zeit den Verlockungen des Boulevards nicht mehr widerstehen kann, zwei Artikel publiziert, die das Geschehene – vorsichtig gesagt – einseitig aus Sicht des Josef Untermüller jun. medienwirksam zusammen fassen.

So wurde daraus das Heimatdrama der bösen Erika Untermüller, die den armen Sohn aus Mißgunst, Neid und Hass auf die Schwiegertochter mitsamt seiner 5 Kinder vom Hof jagen will und kein Mitleid mit den armen 150 Tieren hat, die dann verenden werden und dem heldenhaften Josef Untermüller, der sich gegen das Unrecht zum Wohl der Tiere wehrt und daher standhaft bis zuletzt sein Bleiben auf dem Hof verteidigt.

Und, wie zu Erwarten, schärft der virtuelle Mob die Mistgabeln und fordert lautstark die Lynchung der bösen Mutter – natürlich ohne die Fakten zu kennen:

 das ist so unvorstellbar Böse von dieser Alten!

Für mich ist es unbegreiflich, wie eine Mutter so gegen den Sohn und seine Familie vorgehen kann.

Es wäre besser die Alte aus dem Haus zu jagen

die alte hexe hat wohl ihren verstand verloren.

Und weil es natürlich nicht fehlen darf, Juristen-Bashing:

Was sich hier abspielt, liegt fernab von jeglichem juristischen Verständnis und deren juristischen ‘Handlanger’.

Man liest oft solche Geschichten, mit herzlosen Vermietern, gemeinen Chefs o. ä. Aber wenn man die Fakten kennt, erschrickt man wirklich, wie einseitig doch manchmal berichtet wird und wie einfach sich normale Leute dazu aufschwingen, über Dinge zu richten, deren Fakten sie nicht kennen.

Oder, um es auf den Punkt zu bringen:

“The IQ of a mob is the IQ of its most stupid member divided by the number of mobsters.”

– Terry Pratchett, Maskerade

180°-Drehung

Ich hatte hier von einem Verfahren erzählt, in dem die Gegenseite versucht hat darzulegen, dass Rechnungen per Post zugegangen seien, weil es hierfür einen Anscheinsbeweis gebe.

Heute, eine Stunde vor dem Termin, erreicht mich ein Schriftsatz mit dieser Aussage:

Der Beklagte hat also von Anfang an und zu keinem Zeitpunkt eine Papierrechnung erhalten.

Ich hoffe nur, der Kollege hat sich bei dieser rasanten 180°-Drehung nicht verletzt… 😉