Ist ja nur das Geld der Versichertengemeinschaft…

…denken sich wohl viele Sachbearbeiter der Versicherungen, die mit ihrer Sturheit Prozesse anzetteln, die die Versicherung am Ende weitaus mehr Geld kosten als die verlangte Regulierung.

Jüngstes Beispiel: Die DEVK. Der Mandant wollte nach einem Großschaden (ca. 20.000,00 € Reparaturkosten) Nutzungsausfallentschädigung für den Zeitraum zwischen Schaden und Fertigstellung der Reparatur, insgesamt ca. 3.000,00 €. Die DEVK zahlte 500,00 €, weil die Reparatur laut Sachverständigen ja nur 10 Tage hätte brauchen dürfen, also sei er ja selbst schuld, wenn es dann einen Monat gedauert hat. Mehrere Hinweise, dass der Mandant doch nichts dafür könne, wenn aufgrund des hohen Schadens erstmal ein Haufen Ersatzteile bestellt werden müssen (bestätigt von der Werkstatt), bleiben ohne Erfolg.

Der Mandant – rechtsschutzversichert – klagt also gegen die DEVK auf Zahlung weiterer 2.500,00 € und die Differenz der Anwaltskosten durch den damit verbundenen Gebührensprung. Nach Hauptverhandlung mit Zeugeneinvernahme spricht das Gericht 2.000,00 € zu. Kostentragung: 80% für DEVK, 20% Mandant (bzw. seine Rechtsschutzversicherung).

Bei einem Kostenrisiko von 1.600,00 € bedeutet dies, dass sich die DEVK die ersparten 500,00 € mit der Zahlung von mindestens 1.280,00 € erkauft hat. Unterm Strich hat die Sturheit des Sachbearbeiters die DEVK (und damit ihrer Versichertengemeinschaft) also ca. 800,00 € bis 900,00 € extra gekostet.

Unnötiges Anwaltsschaulaufen

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“Sammeltermin”. Das Wort allein verursacht bei den meisten altgedienten Kollegen ein Schaudern. Und das zu Recht.

Unter Sammeltermin versteht man die Praxis, mehrere frühe erste Termine (§ 275 ZPO) – meist ein Dutzend oder mehr (oder im Fall von BVerfG NJW 1985, 1149, auch mal 50+ Verfahren) – auf die gleiche Uhrzeit zu legen und die Kollegen dann alle herbeieilen zu lassen, um sich um die Rangfolge zu zoffen, denn wer zuerst kommt (meist viel früher als terminiert), der mahlt zuerst. Im Termin sitzen dann ca. 20 Anwälte hinten drin und ärgern sich, dass sie wohl 2-3 Stunden umsonst im Gericht verbringen, bis die Sachen vor ihnen abgearbeitet sind.

Kein Wunder also, dass Sammeltermine verpöhnt und aus der Sicht der meisten Kollegen auch zumindest nach der ZPO-Reform 2002 unzulässig sind (vgl. Schirp, BRAK-Mitt. 1/2003, S. 6). Die allermeisten Richter haben schon aus Eigeninteresse davon Abstand genommen und wählen lieber das schriftliche Vorverfahren nach § 276 ZPO, um möglichst früh schon alle entscheidenden Fragen zu klären; außerdem hat dieses Verfahren den Vorteil der Möglichkeit, durch Versäumnisurteil nach § 331 III ZPO entscheiden zu können, wenn keine Verteidigungsanzeige eingeht.

Ein paar Richter sträuben sich jedoch noch, dem Sammeltermin Lebewohl zu sagen. Zu einem solchen darf ich dann auch gehen am Mittwoch. Achja, die Klageerwiderung kam natürlich erst, als der Mandant – der Beklagten bekannt – im Urlaub war. Ich habe das Gericht daher um Terminsverlegung gebeten, weil ich mich ohne Rücksprache ohnehin nicht erklären könne. Der Richter hat dies abgelehnt.

So stehe ich also am Mittwoch extra früh auf, um bei Gericht möglichst früh dran zu kommen. Ich fürchte nur, die Kollegen werden das Gleiche tun…

BGH’sche Definitionen – Heute: Das Wort “Witwe”

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Wit­we, die
Frau, deren Ehemann gestorben ist

Soweit der Duden. Der BGH sieht das in manchen Fällen anders und definiert das Wort kurzerhand um.

Diesen Eindruck bekommt man zumindest bei BGH, Urteil vom 22.07.2015 – Az. IV ZR 437/14. Wie u. a. lto.de berichtet, hat der BGH in diesem Fall entschieden, dass Begünstigte einer Lebensversicherung nach Versterben des Versicherungsnehmers diejenige Ehefrau ist, mit der die Ehe bei Vertragsschluss oder zum Zeitpunkt der Einsetzung der “Witwe” als Bezugsberechtigte bestand und nicht diejenige, mit der der Versicherungsnehmer bei seinem Tod verheiratet war. Nur wenn der Versicherungsnehmer der Versicherung schriftlich die Änderung der Bezugsberechtigten mitteilt, so sei die neue Ehefrau berechtigt. Eine – in diesem Fall stattgefundene – telefonische Mitteilung genüge nicht.

Wie lto.de weiter berichtet, hat das OLG Frankfurt am Main als Vorinstanz dies wohl pragmatischer gesehen und als Witwe diejenige Ehefrau angesehen, mit der die Ehe zum Zeitpunkt des Todes bestand. Dies dürfte auch im Sinne der Versicherungsnehmers gewesen sein, der nun (zum Glück?) nicht mehr miterleben muss, wie seine Ex-Frau das Geld bekommt und seine zweite Ehefrau entgegen seines Willens leer ausgeht.

Gefühlsgesteuerte Holzhammerresistenz

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In dem hier beschriebenen Fall ist mittlerweile die Kündigung des Arbeitgebers – aus dessen Sicht natürlich berechtigt – erfolgt. Man traf sich also beim Arbeitsgericht zur (zweiten) Güteverhandlung mit Geschäftsführer der Arbeitgeberin und dem Mandanten persönlich, damit das Gericht in seiner Weisheit eine salomonische(?) Lösung finden kann.

Die Gegenseite zeigte sich einigungsbereit. Der Mandant könne bis 31.12.2015 weiterbeschäftigt werden, bekomme sein volles Gehalt von 4.000,00 € weiterhin, werde aber ohne Anrechnung von etwaigen Verdienst unwiderruflich freigestellt. Man sei also bereit, insgesamt 24.000,00 € fürs Nichtstun zu bezahlen. Der seit 10 Jahren beschäftigte und 5 Jahre vor der Rente stehende Mandant ist bereit, zum 31.07.2015 zu gehen, will aber, angesichts dessen, dass er in seinem Alter keine Festanstellung mehr finden wird, eine Abfindung von 48.000,00 €.

Das Gericht, welches sich bis dahin zurückgehalten hatte, weist die Arbeitgeberin darauf hin, dass sie bei ihrem Vergleichsvorschlag ohnehin Sozial- und Rentenversicherungsbeträge zu zahlen hätte, welche sich in 6 Monaten auf ca. 5.000,00 € summieren. Daher sei eine Einigung auf 40.000,00 € – auch in Hinblick auf die Prozesschancen – für sie die wirtschaftlich beste Lösung. Vor allem, weil ja noch wegen dem o. g. Fall ein Parallelverfahren anhängig ist, das auch Kosten verursacht und welches mit dem Vergleich “miterledigt” werden könnte.

Weil sich der Geschäftsführer der Beklagten – ein Jungjurist ungefähr in meinem Alter – windet, “hämmert” das Gericht noch eine Weile auf ihn ein, so dass m. E. nicht mehr viel gefehlt hat, bevor der Vorsitzende das Megafon auspackt und ihm mit der gebotenen Lautstärke klar macht, dass er den Prozess ansonsten sehr wahrscheinlich verlieren wird und dass das Angebot für die Beklagte die wirtschaftlich günstigste Möglichkeit darstellt, die Sache endgültig zu beenden. Am Ende wird das Ganze  als Vergleichsvorschlag mitgenommen, während der Mandant noch im Saal sein Einverständnis erklärt.

Beim Rausgehen meint der Mandant zu mir, dass der Geschäftsführer der Beklagten den Vergleichsvorschlag wohl nicht annehmen werden wird. Ich rüge ihn für die Annahme, weil doch rein objektiv der Geschäftsführer ein Interesse haben müsse, die Sache für die Beklagten wirtschaftlich günstig zu lösen. Wie das heutige Ablehnungsschreiben der Gegenseite zeigt, hätte ich ihm besser Glauben schenken sollen.

Es beweist mal wieder, dass selbst der größte Holzhammer dem Richter nichts bringt, wenn eine Partei sich von ihren Gefühlen leiten lässt…

HWS-Verletzung beim Ausparken?

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Gar schrecklich verletzt haben will sich der Kläger, als er unserem Mandanten ausweichen hat müssen und deshalb ins Bankett neben der Straße gefahren ist. Von HWS-Verletzungen und wochenlanger Arbeitsunfähigkeit war die Rede. Das könne ein Sachverständiger alles belegen.

Gesagt, getan, das Gericht hat Beweis erhoben und nach einem Ergänzungsgutachten den Sachverständigen selbst herbei geholt. Die Quintessenz seiner Ausführungen: So, wie vom Kläger geschildert, konnte das gar nicht geschehen sein und so wie es geschehen ist, haben auf den Kläger nur die selben Kräfte eingewirkt, wie wenn er auf der Autobahn bei 80 km/h über Dehnfugen einer Brücke fährt oder beim Ausparken vom Randstein herunterfährt.

Der gegnerische Kollege hielt an seinem Vortrag fest, dass die Verletzungen dadurch entstanden sein müssen. Das Gericht möge einen medizinischen Sachverständigen beauftragen.

Meinen Hinweis, dass seine Mandantschaft in Zukunft aufs Auto verzichten sollte, wenn nach deren Ansicht selbst beim Ausparken schlimme Verletzungen drohen, fand er aber weniger witzig. Kann ich gar nicht verstehen…

BVerfG: Keine einstweilige Anordnung gegen Bestellerprinzip für Wohnraummakler

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Die Zweite Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts hat mit Beschluss vom 13. Mai 2015 – 1 BvQ 9/15 – der heute erst veröffentlicht wurde (Pressemitteilung) – entschieden, dass kein Grund für den Erlass einer einstweiligen Anordnung im Verfahren der Verfassungsbeschwerde besteht, die zwei Makler und ein (Alibi-)Mieter gegen die Art. 3 Nr. 1 a), b), e), Nr. 2 und Nr. 5 a) aa) des Gesetzes zur Dämpfung des Mietanstiegs auf angespannten Wohnungsmärkten und zur Stärkung des Bestellerprinzips bei der Wohnungsvermittlung (Mietrechtsnovellierungsgesetz – MietNovG) vom 21. April 2015 (BGBl I S. 610) – vulgo: Bestellerprinzip für Makler – eingereicht haben.

Begründet wurde es bezüglich der Makler wie folgt:

Der erste Antragsteller behauptet  angesichts seiner weiteren Einnahmequellen nicht einmal, dass die Einführung des „Bestellerprinzips“ den Fortbestand seines Unternehmens gefährden könnte. Demgegenüber macht der zweite Antragsteller zwar geltend, dass ihm die Insolvenz drohe, falls das Mietrechtsnovellierungsgesetz in Kraft trete, belegt dies allerdings nicht durch konkrete Zahlen.

Die Verfassungsbeschwerde des (Alibi-)Mieters erachtet die Kammer – zutreffend – als offensichtlich unzulässig, weil nicht erkennbar ist, wie der Mieter in seiner Vertragsfreiheit nach Art. 2 I GG verletzt sein soll, wenn er ja weiterhin Makler beauftragen und ihnen Courtage zahlen kann.

AllgM? Was ist denn das? II

Aus der Reihe “Nur weil es alle so machen, muss es noch nicht stimmen” in einer mietrechtlichen Sache heute der Vortrag eines Kollegen zu § 573 BGB im Schreiben an die Mandantschaft:

Die Gründe für eine ordentliche Kündigung sind im Gesetz abschließend geregelt.

Hierzu die allgemeine Meinung, zitiert nach Blank in Schmidt-Futterer, Mietrecht, 11. Auflage 2013, § 573 Rn. 187a (mit Hervorhebungen):

Aus dem Wortlaut des § 573 Abs. 2 BGB („insbesondere“) folgt, dass die möglichen Kündigungsgründe in Abs. 2 nicht abschließend aufgezählt werden. Vielmehr stellt das Gesetz mit § 573 Abs. 1 BGB einen generalklauselartigen Kündigungstatbestand zur Verfügung, der den in § 573 Abs. 2 BGB beispielhaft genannten Kündigungsgründen nach allgemeiner Meinung gleichgewichtig ist.

Aber man kann es ja mal versuchen…

Das hat der Urgroßvater schon entschieden!

Uropi wusste es schon besser

Aus der Reihe “Man kanns ja mal versuchen” erreichte uns eine E-Mail eines großen Gutscheinverkaufsportals, welches unserem Mandanten seine Rechtsanwaltsgebühren nicht erstatten wollte, weil dieser ja am 01.04.2015 nur eine Frist bis 10.04.2015 gesetzt habe zur Rückzahlung. Die Kosten unserer am 20.04.2015 erfolgten Beauftragung seien daher nicht zu ersetzen, weil die Frist “unangemessen kurz” gewesen sei und somit kein Verzug eingetreten sei.

Nun sollte jeder Erstsemester sofort wissen, dass diese Argumentation ein kleines, aber entscheidendes Problem hat: Eine unangemessen kurze Frist setzt nach ganz h. M. eine angemessene Frist in Gang und nicht gar keine. Das hat schon der Urgroßvater gewusst, denn die erste Entscheidung hierzu – soweit ersichtlich – war vom Reichsgericht mit Urteil vom 16. Dezember 1903 – Az. I 447/03 (RGZ 56, 231).

Ich erwarte nun mit Spannung, wie die Gegenseite begründen will, dass 19 Tage nicht genug Zeit war, um eine simple Überweisung zu tätigen.

BGH: Behauptung “TÜV neu” + fehlende Verkehrssicherheit = Sofortiger Rücktritt

Der u. a. für Kaufrecht zuständige VIII. Zivilsenat des BGH hat mit Urteil vom 15.04.2015 – Az. VIII ZR 80/14 – entschieden, dass die Käuferin eines Gebrauchtwagens, bei dem vertragsgemäß am Kauftag eine Hauptuntersuchung (HU) durchgeführt worden und die HU-Plakette angebracht wurde, bei einem schweren Mangel (hier: massive, erkennbare Korrosion des Motors) ohne Fristsetzung vom Kaufvertrag nach § 440 S. 1 3. Alt. BGB zurücktreten kann, weil sie zu Recht jedes Vertrauen in Zuverlässigkeit und Fachkompetenz des Verkäufers verloren hatte und ihr daher die Nacherfüllung durch diesen nicht zumutbar sei.

Die auch erklärte Anfechtung wegen arglistiger Täuschung (§ 123 I BGB) sah der BGH mangels ausreichender Feststellungen des Erstgerichts nicht als erfolgreich an.

Quelle: Pressemitteilung Nr. 58/2015 vom 15.04.2015

Hinweis:
Wieso der BGH die Anfechtung nicht bejahen wollte, ist nicht nachvollziehbar. M. E. wird mit “TÜV neu” (konkludent) zugesichert, dass sich das Auto am Kauftag in einem Zustand befunden hat, der eine Zuteilung der HU-Plakette erlaubt. Zumindest aber enthält diese Angabe die Erklärung, dass der Verkäufer das Fahrzeug untersucht hat oder untersuchen hat lassen und dabei keine Mängel festgestellt wurden, die einer Erteilung der HU-Plakette entgegengestanden haben.
Die Entscheidung zeigt wieder einmal, dass es in der Praxis wichtig ist, eine Anfechtung immer mit einer Kündigung / einem Rücktritt zu kombinieren, um sich nicht eine Anspruchsgrundlage zu verbauen.

BGH: Wer unrenoviert mietet, muss auch nicht renovieren (u. a.)

Wie der BGH in einer Pressemittelung ausführt, hat der VIII. Zivilsenat in einer Reihe von Punkten seine frühere Rechtsprechung zur Reparaturpflicht des Mieters aufgegeben. Konkret hat der BGH heute drei Entscheidungen verkündet:

Mit Urteil vom 18.03.2015 – Az.  VIII ZR 185/14 – hat der BGH entschieden, dass die formularmäßige Abwälzung der Schönheitsreparaturen auf den Mieter unwirksam war, weil der Mieter eine unrenovierte Wohnung übernommen hatte. Auch die von ihm durchgeführten Anfangsrenovierungen (Streichen von 3 Zimmern) im Gegenzug zum Nachlass einer halben Monatsmiete führen nicht zu einer anderen Bewertung, da dies keinen angemessenen Ausgleich darstelle.

In dem durch Urteil vom 18.03.2015 – Az. VIII ZR 242/13 – entschiedenen Fall hat das Gericht die Sache an die Berufungsinstanz zurückverwiesen, weil keine Feststellungen dazu getroffen worden seien, ob “die Mieträume im Zeitpunkt der Überlassung den Gesamteindruck einer renovierten Wohnung vermitteln”. Es wird aber auch darauf hingewiesen, dass die Frage, ob die Wohnung bei Vertragsbeginn unrenoviert war, vom Mieter zu beweisen sei.

In dem selben Fall hat der Senat zusätzlich entschieden, dass auch keine anteilige Kostentragungspflicht nach einer Quotenabgeltungsklausel besteht, weil eine “unangemessene Benachteiligung des Mieters darin liegt, dass der auf ihn entfallende Kostenanteil nicht verlässlich ermittelt werden kann und für ihn bei Abschluss des Mietvertrags nicht klar und verständlich ist, welche Belastung gegebenenfalls auf ihn zukommt” und eine solche Regelung daher nach § 307 I BGB unwirksam sei.

Fazit:

Der Volltext der Entscheidungen wird abzuwarten sein. Sollte der BGH wirklich Quotenabgeltungsklauseln grds. für unwirksam erachten, wie es in der Pressemitteilung durchklingt, so werden einige Vermieter eine böse Überraschung erleben.