BGH: Vermieter darf mit Kündigung warten

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Der u. a. für das Mietrecht zuständige VIII. Zivilsenat des BGH hat mit Urteil vom 13.07.2016 – Az. VIII ZR 296/15 – entschieden, dass § 314 III BGB im Wohnraummietrecht keine Anwendung findet (bisher gibt es nur die Pressemitteilung des Gerichts). Diese Norm regelt, dass die Kündigung von Dauerschuldverhältnissen nur “innerhalb einer angemessenen Frist” möglich sei. Was angemessen ist, das entscheidet im Zweifel ein Gericht.

Das LG Düsseldorf (Urteil vom 16. Dezember 2015 – Az. 5 S 40/15) war als Vorinstanz noch davon ausgegangen, dass auch die fristlose Kündigung nach § 543 II Nr. 3 BGB nur binnen einer solchen Frist möglich sei und hat ein Urteil des AG Düsseldorf aufgehoben, welches eine Mieterin zur Räumung verurteilt hatte, die zwei Monatsmieten nicht bezahlt hatte, der aber erst 8 Monate später gekündigt worden war.

Der BGH sieht dies – zu Recht – anders und verweist darauf, dass §§ 543, 569 BGB die Kündigungsmodalitäten abschließend regelt. Der Gesetzgeber hat sich ausdrücklich entschieden, dass der Mieter die Kündigung durch vorherige Befriedigung (einmal alle zwei Jahre) abwenden können soll, aber ansonsten keine Zeitbegrenzung besteht. Lediglich die Verwirkung kann eine Grenze darstellen, die jedoch nach 8 Monaten noch nicht erreicht ist.

Auch wenn es paradox klingen mag, ist dieses Urteil positiv für Vermieter und Mieter zugleich. Vermieter haben Rechtssicherheit, dass die Kündigung nicht an unbestimmbaren Fristen scheitert und Mieter müssen nicht damit rechnen, dass der Vermieter ihnen nun – um solchen Fristproblemen vorzubeugen – sofort kündigt, ohne dass die Gelegenheit der Nachzahlung eingeräumt wird.

Wenn außer den Parteien keiner dabei war…

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Im Zivilprozess gilt grundsätzlich eine ganz einfache und eingängige Regel: Wer etwas vorträgt, das zu einem für ihn gewünschten rechtlichen Ergebnis führen soll, der muss dies auch beweisen. Dass das sinnvoll ist, dass weiß jeder gute Beamte, lautet doch Regel Nr. 3 des Beamten-Dreisatzes: “Da könnte ja jeder kommen!”.

Also muss die Partei eines der in der ZPO genannten Beweismittel benennen, nach dessen Erhebung das Gericht sich wie gewünscht überzeugt haben soll. Die häufigsten Beweismittel sind der Zeugenbeweis (zugleich der unzuverlässigste), der Augenschein und das Sachverständigengutachten.

Problematisch wird es für die beweisbelastete Partei – und in der Folge auch für ihren Anwalt – wenn, wie recht häufig, keine Beweismittel existieren außer die eigene Wahrnehmung der Partei und auch keine objektiven Tatsachen vorhanden sind, an die ein Sachverständiger anknüpfen könnte. Denn der Vortrag der Partei ist grundsätzlich nicht ausreichend, wenn der Gegner ihn bestreitet. Denn der Gegner kann in der Regel keinen Gegenbeweis führen, dass etwas gerade nicht geschehen ist.

Ganz unmöglich ist es jedoch nicht, die Partei wie einen Zeugen zu vernehmen. Hierzu hat der Gesetzgeber nämlich die Parteieinvernahme (§§ 447 ff. ZPO) geschaffen. So ist die Einvernahme einer Partei dann möglich, wenn dies beantragt wird und der Gegner ihr zustimmt. Das Ziel eines taktisch denkenden Anwalts wird daher immer sein, die Einvernahme der eigenen Partei zu erreichen und die Einvernahme der gegnerischen Partei zu verweigern.

Stimmt der Gegner nicht zu, so regelt § 448 ZPO, dass das Gericht die Einvernahme auch von Amts wegen “ohne Antrag einer Partei und ohne Rücksicht auf die Beweislast” durchführen kann, wenn “das Ergebnis der Verhandlungen und einer etwaigen Beweisaufnahme nicht ausreicht, um seine Überzeugung von der Wahrheit oder Unwahrheit einer zu erweisenden Tatsache zu begründen. Erforderlich ist daher, dass der Träger der Beweislast bereits einen Anfangsbeweis erbracht hat und eine gewisse Wahrscheinlichkeit für die zu beweisende Tatsache spricht (h. M.). Kann der Beweisbelastete also nicht einmal Anknüpfungspunkte beweisen, aus denen sich die Wahrscheinlichkeit für die zu beweisende Tatsache ergibt, so scheidet die Parteieinvernahme von Amts wegen aus (vgl. LAG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 15.05.2002 – Az. 10 Sa 69/02).

Erforderlich ist zusätzlich, dass die Tatsache, der zu beweisen ist, möglichst genau substantiiert wird. Denn wenn es zu einer Parteieinvernahme kommt, trägt der Gegner nun die Beweislast dafür, dass der Vortrag unwahr ist. Einen Negativbeweis zu führen ist jedoch in der Regel nur dann möglich, wenn nachgewiesen werden kann, dass die Behauptung gar nicht zutreffen kann. Hierzu ist aber erforderlich, zu wissen, wann wie wo was genau geschehen sein soll.


An diesen Hürden dürfte in dem Fall, der mich gestern zum Arbeitsgericht geführt hat, die Gegenseite scheitern.

Es ging, wie so oft, um die Frage, ob eine Kündigung übergeben wurde oder nicht. Die Gegenseite sagt: Ja, aber die Parteien waren unter sich. Unser Mandant sagt: Nein, eine Übergabe gab es nicht. Beweisangebot für die Übergabe? Die Einvernahme des Geschäftsführers der Gegenseite.

Im Termin zur Güteverhandlung (2. Runde) wurde der Geschäftsführer befragt, wann denn die Übergabe stattgefunden haben soll. Das wisse er nicht mehr, das merke er sich doch nicht. Weder den Tag konnte er genau sagen (“müsste der Tag gewesen sein”), noch die Uhrzeit. Nur dass der Mandant zu ihm ins Büro gekommen sei. Was aber auch häufig geschehen ist, weshalb dies sicher keinem Kollegen aufgefallen sein dürfte. Den Kollegen habe er von der Kündigung auch erst Wochen später berichtet – nachdem schon Kündigungsschutzklage erhoben war.

Das Gericht hat folgerichtig zu erkennen gegeben, dass es keine Grundlage für die Parteieinvernahme erkennen kann. Das hat leider nicht gereicht, um den Geschäftsführer zu einem Vergleich zu bewegen. Dann wird es halt voraussichtlich deutlich teurer für ihn. Freut den Mandanten auch.

Ab 01.10.2016 ist es (fast) aus mit der verpflichtenden Schriftform in AGB

contract-1464917_640Viele allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB) enthalten Klauseln, wonach Erklärungen nur dann wirksam sein sollen, wenn sie schriftlich (also handschriftlich geschrieben und/oder unterzeichnet) abgegeben werden. Insbesondere in Arbeitsverträgen sind im Rahmen von sog. Ausschlussfristen Regleungen enthalten, wonach Ansprüche verfallen, die nicht binnen X Monaten schriftlich geltend gemacht wurden.

Die Zulässigkeit solcher Klauseln ergibt sich bisher aus § 309 Nr. 13 BGB, der zurzeit so lautet:

13.
(Form von Anzeigen und Erklärungen)

eine Bestimmung, durch die Anzeigen oder Erklärungen, die dem Verwender oder einem Dritten gegenüber abzugeben sind, an eine strengere Form als die Schriftform oder an besondere Zugangserfordernisse gebunden werden;

Jetzt schon sind solche Klauseln z. B. dann unzulässig, wenn eine Schriftform gefordert wird für bestimmte Erklärungen (Kündigungen etc.), während der Vertrag selbst formlos geschlossen werden kann und geschlossen wurde (so z. B. OLG München MMR 2015, 186). Ist der Vetrag jedoch schriftlich geschlossen, so sind solche Klauseln bisher unzweifelhaft zulässig.

Dies ändert sich zum 01.10.2016. Wie der CMS-Blog hinweist, gilt ab dann der neue § 309 Nr. 13 BGB, der dann wie folgt lautet:

13.
(Form von Anzeigen und Erklärungen)
eine Bestimmung, durch die Anzeigen oder Erklärungen, die dem Verwender oder einem Dritten gegenüber abzugeben sind, gebunden werden

a)
an eine strengere Form als die Schriftformschriftliche Form in einem Vertrag, für den durch Gesetz notarielle Beurkundung vorgeschrieben ist oder

b)
an eine strengere Form als die Textform in anderen als den in Buchstabe a genannten Verträgen oder

c)
an besondere Zugangserfordernisse gebunden werden;

Ausreichen muss und darf also nur noch die sog. Textform (§ 126b BGB), also jede verkörperte oder verkörperbare Erklärung eines Texts (Fax, E-Mail etc.), es sei denn, der Vertrag muss – wie z. B. bei einem Grundstückskauf – notariell beurkundet werden. Neu ist mit Buchstabe c) auch, dass keine besonderen Zugangserfordernisse mehr gefordert werden dürfen.

Anwendung findet die Vorschrift gem. Art. 229 § 37 EGBGB auf alle Verträge, die nach dem 30.09.2016 geschlossen werden. Aktuelle Verträge sind also nicht betroffen, jedoch muss jeder, der einen Vertrag mit einer solchen Klausel ab dem 01.10.2016 schließen will, hierauf achten.

Erforderlich war die Änderung nicht, denn § 127 II BGB sieht ohnehin schon vor, dass die vereinbarte Schriftform durch die Textform ersetzt werden kann. Wird nun jedoch weiterhin Schriftform gefordert, so kann sich der AGB-Verwender nicht auf diese Vorschrift berufen, sondern alle Erklärungen sind dann – wegen des Verbots geltungserhaltender Reduktion – formlos möglich. Dies wird in der Praxis hauptsächlich zu Beweisproblemen führen.

Erklärtes Ziel des Gesetzgebers (vgl. BT-Drucksache 18/4631, S. 17 f.; BR-Drucksache 55/15, S. 15) war es übrigens, Fälle zu erfassen, in denen gerade im Online-Handel (vgl. OLG München a. a. O.) für den Vertragsschluss eine geringere Form erforderlich war wie für die Kündigung o. ä. Das Problem hätte jedoch einfacher gelöst werden, wenn man einfach Klauseln verboten hätte, die für gleich wichtige Willenserklärungen (z. B. Vertragsschluss und Kündigung) verschiedene Formerfordernisse stipulieren. Die jetzt getroffene Regelung schießt über das Ziel hinaus und wird gerade in Fällen schriftlicher Verträge dazu beitragen, dass vielmehr Beweisprobleme entstehen.

Die Sache mit dem Röntgenblick

x-ray-237401_640Was Superman kann, kann ein Gebrauchtwagenhändler doch sicherlich schon lange. Das wird sich wohl der Kollege, der einen Autokäufer gegen unseren Mandanten, einen Gebrauchtwagenhändler, vertritt, gedacht haben, wenn er im selben Schriftsatz sowohl schreibt, dass

sich der Rost im Inneren des Motorblocks [befindet]

wie auch, dass unser Mandant

die streitgegenständlichen Rostschäden bzw. die Verdachtsmomente hierzu durch alleinigen Blick in den Motorraum nach Öffnung der Motorklappe erkennen [hätte] können.

Unser Mandant versichert uns, dass weder er noch seine Mitarbeiter über einen Röntgenblick verfügen und daher nicht in der Lage sind, Schäden im Inneren eines geschlossenen Motorblocks von außen zu erkennen. Auch wenn Mandanten hin und wieder dazu neigen, es mit der Wahrheit nicht all zu genau zu nehmen, in diesem Fall kann man ihm – denke ich – glauben 😉

PS: Ich bin ja mal gespannt, ob das Gericht hier eine Röntgenblick-Pflicht bejaht.

Neues vom BGH zum Filesharing, heute u. a. mit keine Belehrungspflicht für volljährige Anschlussnutzer

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Der I. Zivilsenat des BGH wird weiterhin mit Filesharing-Fällen überschwemmt und trifft neben vereinzelter sinnvoller Entscheidungen weiterhin Entscheidungen, die einen zu denken geben müssen. Heute, 12.05.2016, wurden wieder eine Reihe Urteile veröffentlicht, die bisher nur in Form dieser Pressemitteilung vorliegen.

In den Verfahren mit den Az. I ZR 272/14, I ZR 1/15, I ZR 43/15 und I ZR 44/15 hat der BGH die Urteile auf Revision der Abmahnindustrie aufgehoben und zurückverwiesen, weil die Vorinstanz nur schematisch den Gegenstandswert bemessen hat. Der BGH verlangt eine genaue tatsächliche Feststellungen, “etwa zum wirtschaftlichen Wert des verletzten Rechts, zur Aktualität und Popularität des Werks, zur Intensität und Dauer der Rechtsverletzung sowie zu subjektiven Umständen auf Seiten des Verletzers”, was die Arbeit der Instanzgerichte in solchen Fällen stark erschweren dürfte. Dies könnte auch ein Ansatzpunkt für die Verteidigung gegen solcherlei Vorwürfe sein. Andererseits besteht die Gefahr, dass die Gerichte nun weitaus höhere Beträge ausurteilen, gerade wenn aktuelle populäre Werke betroffen sind.

Im Verfahren mit dem Az. I ZR 48/15 hat das OLG Köln mit Urteil vom 6. Februar 2015 – Az. 6 U 209/13 – einen Familienvater, der auf die mögliche Täterschaft seiner Ehefrau und seiner damals 15 und 17 Jahre alten Kinder verwiesen hatte, verurteilt. Der BGH hält die Verurteilung, weil der Beklagte nicht hinreichend konkret vorgetragen habe, dass seine Kinder ernsthaft als Täter der Rechtsverletzung in Betracht kommen. Problematisch war für den Anschlussinhaber, dass die Ehefrau als Zeugin ausgesagt hatte, dass sie die Kinder immer im Blick gehabt hatte, so dass diese gar kein Filesharing hätten betreiben können. Insoweit ist es also ein spezieller Einzelfall, der grundsätzlich nicht verallgemeinert werden kann. Es ist aber davon auszugehen, dass die Abmahnindustrie dies versuchen wird.

Ein Lichtblick für Abgemahnte gibt es im Verfahren mit dem Az. I ZR 86/15: Der BGH stellt klar, dass den Inhaber eines Internetanschlusses, der volljährigen Mitgliedern seiner Wohngemeinschaft, seinen volljährigen Besuchern oder Gästen einen Zugang zu seinem Internetanschluss ermöglicht, keine anlasslose Belehrungs- und Überwachungspflicht trifft. Er habt damit ein Urteil des LG Hamburg vom 20. März 2015 – Az. 310 S 23/14 – auf, welches zu Recht für die Überspannung der Aufklärungspflichten kritisiert wurde.

BGH: Keine außerordentliche Kündigung des Fitnessstudiovertrags bei berufsbedingten Wohnsitzwechsel

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Es war schon lange die Linie der meisten Gerichte, nun hat auch der BGH mit Urteil vom 04.05.2016 – Az. XII ZR 62/15 – entschieden, dass ein Fitnessstudiokunde den Vertrag nicht gem. §§ 314, 543, 626 BGB außerordentlich kündigen kann, wenn er sich entscheidet, einen Arbeitsplatz an einem anderen Ort anzunehmen und deshalb die Leistungen nicht mehr nutzen kann (bisher gibt es nur diese Pressemitteilung). Im entschiedenen Fall wollte ein Berufssoldat seinen Vertrag kündigen, weil er in andere Städte abkommandiert wurde.

Ausdrücklich anders ist laut BGH die Rechtslage dann aber zu beurteilen, wenn aufgrund Krankheit oder Schwangerschaft die Nutzung nicht mehr möglich ist. Noch unentschieden ist, wie der Fall zu beurteilen wäre, wenn der Kunde die Verletzung, die ihn an der Nutzung hindert, selbst verschuldet hat. Richtigerweise wird man solche Fälle gleich wie den Fall des Wohnsitzwechsels behandeln müssen, da im Vordergrund die Frage steht, ob der Kunde die Nutzungshinderung selbst verursacht hat. Auch die Verbüßung einer Freiheitsstrafe wäre streng genommen als selbstverschuldetes Nutzungshindernis einzustufen.

Die Entscheidung ist sachgerecht, da dem Fitnessstudiobetreiber nicht das Risiko zuzuordnen ist, dass sich der Kunde beruflich umorientieren will, da der Kunde meist die Entscheidung darüber frei in der Hand hat. Der BGH stellt aber auch klar, dass besondere Umstände, die zu einem Wohnsitzwechsel geführt haben, ausnahmsweise eine andere Beurteilung zur Folge haben können. Ist der Wohnsitzwechsel also aus bestimmten Gründen erzwungen – z. B. weil eine stationäre Behandlung an einem bestimmten Ort erforderlich ist oder weil überraschend die Pflege von Angehörigen erforderlich wird – so kann eine außerordentliche Kündigung weiterhin erfolgreich sein.

Was wiederum beweist: Auf den Einzelfall kommt es an – und auf die Beratung durch einen kompetenten Anwalt.

Unglaubliche Stehkraft

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Wer schon einmal eine Zeugenvernehmung in einer höchst strittigen Angelegenheit mitbekommen hat, weiß, dass die von Zeugen erzählten Geschichten nicht zwangsläufig der Wahrheit entsprechen müssen – oder können.

In einer Körperverletzungssache verschlug es den Verfasser am Montag ans beschauliche, hoch auf einem Berg gelegene, Amtsgericht Dachau, um Schmerzensgeld für eine bei einer Prügelei verursachte Verletzung durchzusetzen. Das Gericht lud – geprägt von Pessimismus – gleich 9 von 10 Zeugen zum ersten Termin, welche die Auseinandersetzung aus verschiedenen Blickwinkeln (Mandant als Opfer, Mandant als Täter und Beklagter als Opfer) zu erzählen.

Dabei war auch ein Zeuge, nennen wir ihn mal K. K misst ca. 1,90 m und bringt, bei entsprechender Statur, geschätzt 150 kg auf die Waage. K war – aus seiner Sicht – eines der Opfer. Er habe Streit mit dem O gesucht, aber als er diesen vor einer Disco konfrontieren wollte, sei er von hinten angriffen und unsanft mit Wucht zu Boden befördert worden – nicht jedoch, bevor er sich noch an der Jacke des O festhalten konnte. Auf diesseitige Nachfrage, was denn mit O geschehen ist, war sich K sehr sicher, dass dieser nicht auf den Boden gefallen ist, sondern “standfest” blieb. Dass die Aussage, dass jemand, an dem plötzlich und ohne Vorwarnung 150 kg Gewicht ruckartig ziehen, nicht umfällt, an der Grenze der Glaubhaftigkeit zu beheimaten sein dürfte, ist wohl Konsens.

Diese Grenze wird jedoch weit überschritten, wenn man O kennt. Dieser war – ohne dass K dies wusste – am Vormittag schon als Zeuge befragt worden und erschien ca. 1,70 m groß und maximal halb so schwer wie K zu sein. Bei aller Stehkraft, die ich ihm nicht absprechen will: Dass O nicht umgefallen wäre, wenn das ganze Gewicht des K urplötzlich an ihm hängt, das entspringt dem Reich der Fantasie. Wie auch wohl der Rest der Aussage des K.

PS: Leider musste sich das Gericht mit der Glaubwürdigkeit des vom Beklagten als Zeugen benannten K nicht auseinandersetzen. Am Ende des Verhandlungstages war der Beklagte nämlich urplötzlich doch bereit, den bereits zu Beginn angebotenen Vergleich zu schließen. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt…

Teure Beratungsresistenz

Für den Anwalt gibt es nichts schlimmeres – für den gegnerischen Anwalt nichts schöneres – als den beratungsresistenten Mandanten, der nach dem Motto “Geld spielt keine Rolle” Prozesse führen lässt, die von vorneherein aussichtslos sind.

Der eigene Anwalt bekommt zwar seine Gebühren ohnehin, aber dennoch ist es für das Selbstwertgefühl vieler Kollegen nicht gut, wenn der eigene Mandant ausdrückliche Ratschläge zum Prozessrisiko in den Wind schlägt. Und wenn der Prozess dann wie vorhergesagt verloren geht, ist der Anwalt dem Zorn des Mandanten ausgesetzt, der natürlich glaubt, der verlorene Prozess sei Schuld des Anwalts.

So auch gestern beim Amtsgericht in München. Einfache WEG-Sache, Mandantin würde gerne die Waschküche mitbenutzen, die im Gemeinschaftseigentum steht. Mehrheitseigentümerin hat sie zugesperrt und verweigert die Nutzung mit einer Argumentation, die die Kollegin der Gegenseite im Termin mit “Sie findet, sie sei allein nutzungsberechtigt” zusammenfasst. Das Gericht nimmt daher in der Güteverhandlung alle Argumente der Gegenseite mit kurzen Worten auseinander und rät dringenst zu einem Anerkenntnis. Die Kollegin erklärt zerknirscht, dass sie dazu nicht berechtigt sei. Also wird es ein Urteil geben.

Kosten für die dann gerichtliche Nachhilfestunde: voraussichtlich ca. 3.000,00 €. Das Gericht und ich haben uns bei der Kollegin herzlich bedankt; so einfach verdient man sein Geld leider sehr selten. Die Kollegin, die ihrer Mandantin erklären muss, dass sie ihre Sturheit 3.000,00 € gekostet hat, beneide ich nicht. Nur die seltensten Mandanten sind bereit zu akzeptieren, dass der Fehler der ihrige war.

OLG München: Eltern müssen bei Filesharing Kinder denunzieren

So kann man die Entscheidung des OLG München vom 14.01.2015 – Az. 29 U 2593/15 – wohl zusammenfassen. Wie mehrere Medien berichten (u. a. Focus, Welt etc.) hat der zuständige Senat die selbst für Münchner Verhältnisse “gewagte” Entscheidung des LG München I vom 01.07.2015 – Az. 37 O 5394/14 – gehalten, wonach Eltern, in deren Haushalt eine Urheberrechtsverletzung stattgefunden hat, nicht nur verpflichtet sind, den wahren Täter zu ermitteln, sondern darüber hinaus auch noch das Ergebnis ihrer Ermittlungen dem Rechteinhaber mitzuteilen, damit dieser dann gegen das Familienmitglied vorgehen kann. Verweigert das Familienmitglied zu Recht nach § 383 I Nr. 3 ZPO die Aussage, so sei der Anschlussinhaber beweisfällig geblieben und hafte nach den Grundsätzen der Anscheinshaftung (das sah die Rechtsprechung bisher aus guten Gründen anders, vgl. z. B.  AG Passau, Urteil vom 30.12.2015 – Az. 15 C 582/15: “Eine derartige Anforderung überspannt das Ausmaß der sekundären Darlegungslast des Beklagten und sind aus rechtsstaatliehen Gesichtspunkten nicht zu erfüllen”).

Für das OLG München ist in der Abwägung zwischen Art. 6 GG und Art. 14 GG letzterem Grundrecht der Vorrang zu geben, weil ansonsten die Rechteinhaber schutzlos gestellt seien. Dies mag der Fall sein, übersieht aber, dass damit der Schutz der Familie in solchen Fällen effektiv ausgehöhlt wird, da es im Ergebnis dazu führen wird, dass Eltern in aller Regel Ansprüche befriedigen werden, weil sie nicht ihre Kinder als Verantwortliche benennen wollen. Inwieweit dies mit § 383 ZPO bzw. § 52 StPO vereinbar sein soll, ist nicht ersichtlich; ob die schriftlichen Urteilsgründe dies erklären können, wage ich allerdings zu bezweifeln.

Für die Abmahnindustrie wird dieses Urteil Wasser auf die Mühlen sein. Ob man hoffen kann, dass der BGH dies in der zugelassenen Revision wieder korrigiert, ist nach Tauschbörse I-III fraglich. Möglicherweise muss – gerade unter dem Gesichtspunkt des Familienschutzes – das Bundesverfassungsgericht eingreifen.

[ via Liz Collet ]

Nachtrag (14.01.2016, 14.00 Uhr): Hier findet sich die Pressemitteilung des OLG München zu diesem Fall.

Athletische Meisterleistungen

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Der Beklagte – um die 40, ca. 150 kg schwer und entsprechend korpulent – lässt vortragen, dass der Kläger und seine Freunde – allesamt Anfang 20, schlank und körperlich fit – weggerannt seien, er sie aber nach 150 Metern eingeholt habe.

Bin gespannt, ob das Sachverständigengutachten, welches ich als Gegenbeweis angeboten hat, eingeholt wird oder ob das Gericht sich aus eigener Sachkunde zutraut, die Wahrheit dieser Behauptung zu überprüfen… 😉