Das ist ziemlich beklagtisch!

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Ein Kollege verwendet in seinem Schriftsatz konsequent das Wort “beklagtisch”. Ob das deutsche Sprache sei, das hat sich auch der Kollege Steiger bereits 2013 auf Twitter gefragt.

Laut Duden wohl eher nicht:

Leider haben wir zu Ihrer Suche nach ‘beklagtisch’ keine Treffer gefunden.

Frägt man Dr. Google, so findet man diesen schönen Auszug aus dem Buch “Recht Und Sprache” von Ludwig Günther, der Anno 1898(!) schon geschrieben hat (S. 170):

Schon das Adjektivum „beklagtisch“, das jener Adverbialbildung zu Grunde liegt, erscheint unzulässig, da ein einmal zum Hauptwort gewordenes Partizip („der Beklagte”) nicht wieder in ein Eigenschaftswort umgebildet werden kann.

Bei aller Freude am Juristendeutsch: Dem schließe ich mich an!

Möge die Macht mit dir sein

Passend zum neuen Star Wars Film, der nächsten Monat ins Kino kommt, hat sich ein Kollege wohl gedacht, er versucht sich als Yoda:

Somit steht fest, daß unzutreffend der Vortrag der Klagepartei ist, daß…

Leider inhaltlich korrekt sein Vortrag nicht war, wie bestätigt nun hat, der vom Gericht beauftragte Sachverständige. Die Macht wohl nicht mit ihm war. 😉

Athletische Meisterleistungen

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Der Beklagte – um die 40, ca. 150 kg schwer und entsprechend korpulent – lässt vortragen, dass der Kläger und seine Freunde – allesamt Anfang 20, schlank und körperlich fit – weggerannt seien, er sie aber nach 150 Metern eingeholt habe.

Bin gespannt, ob das Sachverständigengutachten, welches ich als Gegenbeweis angeboten hat, eingeholt wird oder ob das Gericht sich aus eigener Sachkunde zutraut, die Wahrheit dieser Behauptung zu überprüfen… 😉

AllgM? Was ist denn das? II

Aus der Reihe “Nur weil es alle so machen, muss es noch nicht stimmen” in einer mietrechtlichen Sache heute der Vortrag eines Kollegen zu § 573 BGB im Schreiben an die Mandantschaft:

Die Gründe für eine ordentliche Kündigung sind im Gesetz abschließend geregelt.

Hierzu die allgemeine Meinung, zitiert nach Blank in Schmidt-Futterer, Mietrecht, 11. Auflage 2013, § 573 Rn. 187a (mit Hervorhebungen):

Aus dem Wortlaut des § 573 Abs. 2 BGB („insbesondere“) folgt, dass die möglichen Kündigungsgründe in Abs. 2 nicht abschließend aufgezählt werden. Vielmehr stellt das Gesetz mit § 573 Abs. 1 BGB einen generalklauselartigen Kündigungstatbestand zur Verfügung, der den in § 573 Abs. 2 BGB beispielhaft genannten Kündigungsgründen nach allgemeiner Meinung gleichgewichtig ist.

Aber man kann es ja mal versuchen…

Das hat der Urgroßvater schon entschieden!

Uropi wusste es schon besser

Aus der Reihe “Man kanns ja mal versuchen” erreichte uns eine E-Mail eines großen Gutscheinverkaufsportals, welches unserem Mandanten seine Rechtsanwaltsgebühren nicht erstatten wollte, weil dieser ja am 01.04.2015 nur eine Frist bis 10.04.2015 gesetzt habe zur Rückzahlung. Die Kosten unserer am 20.04.2015 erfolgten Beauftragung seien daher nicht zu ersetzen, weil die Frist “unangemessen kurz” gewesen sei und somit kein Verzug eingetreten sei.

Nun sollte jeder Erstsemester sofort wissen, dass diese Argumentation ein kleines, aber entscheidendes Problem hat: Eine unangemessen kurze Frist setzt nach ganz h. M. eine angemessene Frist in Gang und nicht gar keine. Das hat schon der Urgroßvater gewusst, denn die erste Entscheidung hierzu – soweit ersichtlich – war vom Reichsgericht mit Urteil vom 16. Dezember 1903 – Az. I 447/03 (RGZ 56, 231).

Ich erwarte nun mit Spannung, wie die Gegenseite begründen will, dass 19 Tage nicht genug Zeit war, um eine simple Überweisung zu tätigen.

“Können wir leider keine Auskunft geben”

Bürgschaften von Behörden sind ein beliebter Weg, bedürftigen Mietern die Stellung einer Kaution zu ersparen. Problematisch wird das nur dann, wenn der Vermieter – weil der Mieter auszieht ohne gezahlt zu haben – sein Geld von der Behörde haben will.

In einem solchen Fall haben wir der Behörde ein längeres Schreiben geschickt, dass alle Schulden enthielt und zur Zahlung aufgefordert. Zurück kam ein Textbaustein: “Aus datenschutzrechtlichen Gründen können wir über den Sachverhalt leider keine Auskunft geben.”

Ich wollte anrufen und der Sachbearbeiterin erklären, dass eine Zahlungsaufforderung kein Auskunftsverlangen ist, aber diese hat nur von 8.00-9.00 Uhr Telefonsprechzeit. Wahrscheinlich weil sie weiß, dass die Post bei den meisten Leuten nicht so früh eingeht…

180°-Drehung

Ich hatte hier von einem Verfahren erzählt, in dem die Gegenseite versucht hat darzulegen, dass Rechnungen per Post zugegangen seien, weil es hierfür einen Anscheinsbeweis gebe.

Heute, eine Stunde vor dem Termin, erreicht mich ein Schriftsatz mit dieser Aussage:

Der Beklagte hat also von Anfang an und zu keinem Zeitpunkt eine Papierrechnung erhalten.

Ich hoffe nur, der Kollege hat sich bei dieser rasanten 180°-Drehung nicht verletzt… 😉

Anfängerfehler: Pauschales Bestreiten im Zivilprozess

Der weitere Vortrag der Beklagten wird, soweit nicht ausdrücklich zugestanden, bestritten.

So gelesen in einem Schriftsatz eines Fachanwalts für Strafrecht, der sich wohl mit zivilrechtlichen Mandaten etwas hinzuverdienen will. Leider hat der Kollege dabei übersehen, dass die h. M. ein solches Bestreiten für unbeachtlich erachtet (vgl. BGH NJW 2010, 1357; Zöller-Greger, § 138 Rn. 10a).

Ich will aber jetzt keine Kollegenschelte für Fehler betreiben, die jedem Referendar eigentlich im ersten Monat ausgetrieben werden sollten. Sondern vielmehr darauf hinweisen, wie gefährlich es ist, sich zu solch pauschalen Floskeln verleiten zu lassen. Wenn selbst erfahrene Kollegen es nicht vermeiden können, dann gilt dies erst recht für junge Kollegen, die gerade mit dem Beruf anfangen.

Die Konsequenzen dieses Fehlers sind nämlich potentiell desaströs:

Alles, wozu nichts gesagt wurde, gilt nach § 138 Abs. 3 ZPO als zugestanden. Bemerkt man diesen Fehler nicht rechtzeitig, besteht die Gefahr, mit ausführlichen Gegenvortrag nach § 296 ZPO präkludiert zu sein. Und weil die Präklusion sich in aller Regel in die zweite Instanz überträgt (§ 531 Abs. 2 ZPO), kann man gleich nach einer entsprechenden Entscheidung des Gerichts seine Berufshaftpflichtversicherung anrufen.

Lebensfremd oder Verweigerungshaltung pur?

Aus dem Schreiben eines großes deutschen Versicherers nach einem Brandereignis im Imbiss unserer Mandantschaft:

Hinsichtlich der Lampen und Spiegel für das Damen WC, das Herren WC und den Vorraum bitten wir Sie um Nachweis, dass dort im Vorfeld bereits Spiegel und Lampen angebracht waren und bitten höflich um die Übersendung der Anschaffungsbelege.

Scheinbar müssen die armen Angestellten dieser Versicherung im Dunkeln und ohne Spiegel ihre Notdurft verrichten…

AllgM? Was ist denn das?

Der Jurist kennt bekanntlich verschiedene Stufen der Einigkeit untereinander. Es gibt “str.”, wenn die Lösung eines Problems strittig ist. “h. L.” und “h. Rspr.” deuten darauf hin, dass sich Lehre und Rechtsprechung nicht einig sind, wie was zu lösen ist. “a. A.” (= andere Ansicht) deutet darauf hin, dass nicht unbeachtlicher Widerspruch zu einer bestimmten Meinung existiert.

Sind sich die Mehrzahl der Juristen einig, dann ist die Lösung “h. M.” (oder herrschende Meinung). Ist die Opposition besonders gering, kann eine Lösung sogar “ganz h. M.” sein. Der heilige Gral der Einigkeit ist aber die “allgM”, die allgemeine Meinung. Damit können sich nur Lösungen schmücken, bei denen es keinerlei ernsthafte andere Meinung gibt. Angesichts der notorischen Zerstrittenheit der Juristen (Stichwort “Zwei Juristen, drei Meinungen”) dürfte nachvollziehbar sein, dass solche Meinungen rar gesät sind.

Eine solche Ansicht betrifft § 130 BGB. Wer eine Willenserklärung unter Abwesenden abgibt (vulgo: z. B. einen Brief verschickt), der trägt die Beweislast dafür, dass der andere sie auch bekommen hat. Einen “Anscheinsbeweis” dafür, dass ein verschickter Brief auch angekommen ist, existiert – angesichts der Tatsache, dass die Post gern mal was verliert – nach einhelliger Auffassung daher nicht (Palandt, § 130 Rn. 21; Staudinger, § 130 Rn. 108; Münchner Kommentar zum BGB, § 130 Rn. 46 etc.).

Anders haben es wohl ein paar Kollegen in einer aktuell vorliegenden Sache gesehen:

Nach obergerichtlicher Rechtsprechung (vgl. z.B. LG München I Beschluß vom 21.9.98 zu AZ 13 T 16124/98; LG Hamburg VersR 1992,85; OLG Naumburg 1999,597) ist angesichts der hohen Wahrscheinlichkeit eines Zugangs (z.B. Verlustquote für 1999 nach Auskunft der Deutschen Post: 0,0008% – d.h. von 125000 Briefsendungen geht statistisch nur eine Sendung verloren) von einem Anscheinsbeweis zugunsten der Klägerin auszugehen ist.

Dass das für den Absender von Briefen, der deren Zugang behauptet, keine tolle Situation ist, liegt auf der Hand. Dass manche Kollegen dann aber versuchen, dennoch einen Anscheinsbeweis zu basteln, zeugt schon fast von Verzweiflungstat.

PS: Eine Entscheidung “13 T 16124/98” des LG München I konnte ich bei besten Willen nicht finden. Und Zitierungen von Jahr und Seite ohne Angabe der Zeitschrift sind vorsichtig ausgedrückt “wenig hilfreich”.