Wenn sich der Verteidiger mit aus dem Saal schleicht…

Der BGH hat mit Beschluss vom 10. April 2013 (Az. 2 StR 19/13) ein Urteil des LG Kassel mitsamt der Feststellungen wegen Verstoß gegen § 140 I Nr. 1 StPO aufgehoben (§ 338 Nr. 5 StPO). Das Landgericht hatte dem Angeklagten mit Beschluss gestattet, den Sitzungssaal gem. § 231c StPO zu verlassen, solange ein Zeuge allein zu einem Mitangeklagten befragt würde. Nicht umfasst hat der Beschluss den Verteidiger des Beschwerdeführers. Dies sei auch nicht aus dem Beschluss bzgl. des Beschwerdeführers zu ersehen, so der BGH.

Gleichwohl ging der Verteidiger mit seinem Mandanten in diesem Zeitraum aus dem Saal. Die weitere Befragung des Zeugen fand daher auch ohne ihn statt, obwohl ein Fall der notwendigen Verteidigung nach § 140 I Nr. 1 StPO vorlag. Allein dies genügt schon für den Erfolg der Rüge, da ja mit § 338 Nr. 5 StPO fingiert wird, dass in diesem Fall das Urteil immer fehlerhaft ist.

Da der Zeuge lästigerweise auch noch was zur Tat des Beschwerdeführers ausgesagt hatte in der Zeit, konnte der BGH den Fehler des Landgerichts auch nicht über die Konstruktion retten, dass es “denkgesetzlich ausgeschlossen” sei, dass das Urteil auf der Abwesenheit beruht (vgl. BGH NStZ 2011, 233; BGH StV 2011, 650).

Hier hat das Landgericht erst vergessen, den Beschluss auf den Verteidiger zu erweitern (was nach § 231c StPO ja möglich gewesen wäre) und dann auch noch die Verhandlung fortgesetzt, obwohl der Zeuge ja doch etwas für den Beschwerdeführer relevantes ausgesagt hat – was das Gericht auch noch strafschärfend ins Urteil aufgenommen hat. Es zeigt sich also mal wieder, wie wichtig es ist, die Verfahrensvorschriften zu beachten und dass der Verteidiger doch lieber im Saal bleiben sollte, selbst wenn der eigene Mandant dazu nicht verpflichtet ist.

BGH: Fischer setzt sich gegen Tolksdorf durch

Ein fast kindlicher Streit vor dem höchsten deutschen Strafgericht ist (hoffentlich) endlich zu Ende. Das Bundeskabinett will Fischer nun für den Job vorschlagen, auf den er sich vor mehr als zwei Jahren beworben hat: Vorsitzender des 2. Strafsenats.

Kurze Rekapitulation:
Thomas Fischer, der Verfasser und Herausgeber des wohl am meisten genutzten Kommentars zum StGB, wurde damals – nachdem er zuvor jahrelang beste Beurteilungen erhalten hatte – vom Präsidenten des BGH, Klaus Tolksdorf, schlecht beurteilt und dann in der Folge übergangen, als der Vorsitzendenposten im 2. Strafsenat – dem er angehörte – frei wurde. Dagegen klagte Fischer vor dem VG Karlsruhe, mit der Folge, dass dieser Vorsitz nicht besetzt werden konnte. Als zwei andere freiwerde Posten in anderen Strafsenaten mit anderen Richtern besetzt werden sollten, klagte Fischer auch hiergegen, so dass am Ende drei von fünf Senaten keinen Vorsitzenden hatten. Obwohl genug Posten frei gewesen wären und Fischer daher ein Vorsitz angeboten hätte werden können, beharrte Tolksdorf auf seiner Position und übernahm lieber selbst einen dieser Posten anstatt Fischer vorzuschlagen.

Anders als Herrn Tolksdorf, wurde es der Bundesjustizministerin Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) wohl zu viel des Streits und sie hat sich mit Fischer geeinigt. Jetzt können hoffentlich schnell die anderen Vorsitzendenposten besetzt werden. Vor allem der Vorsitz des 1. Strafsenats (zuständig für Bayern und Baden-Württemberg) sollte rasch – aber mit bedacht – besetzt werden. Allein schon um möglichst schnell die Fehlentwicklungen der letzten Jahre in dessen Rechtsprechung zu korrigieren.

PS: Fischer ist dabei nicht der einzige Richter, der Probleme mit dem Führungsstil Tolksdorfs hat: Im SPIEGEL 8/2003 gibt es dazu einen interessanten Artikel mit dem bezeichnenden Titel “Der Gutsherr”