Hätten Sie denn nicht kollegialiter einen Parteiverrat begehen können?

Es ergeht ein Versäumnisurteil (VU) am hiesigen Gericht, weil der Kollege nicht erschienen war. Am nächsten Tag legt er Einspruch ein, begründet diesen lang mit EDV-Problemen, die seine Termine gelöscht hätten und warum das VU ohnehin nicht hätte ergehen dürfen. Soweit, so alltäglich.

Der Schriftsatz schließt aber mit einer bemerkenswerten Beschwerde über meinen Kollegen:

Es ist unschön genug, dass der Klägervertreter trotz Kenntnis der Telefonnummer des Unterfertigten, die auf dem Briefkopf aufgeführt ist, nicht wenigstens aus dem Termin antelefoniert hat, da dann eine kollegiale Verlegung hätte erfolgen können.

Stimmt, hätte er machen können. Und dann hätte er sich gleich noch selbst wegen Parteiverrat (§ 356 StGB) anzeigen können. So kollegialiter halt… 😉

Das ist ziemlich beklagtisch!

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Ein Kollege verwendet in seinem Schriftsatz konsequent das Wort “beklagtisch”. Ob das deutsche Sprache sei, das hat sich auch der Kollege Steiger bereits 2013 auf Twitter gefragt.

Laut Duden wohl eher nicht:

Leider haben wir zu Ihrer Suche nach ‘beklagtisch’ keine Treffer gefunden.

Frägt man Dr. Google, so findet man diesen schönen Auszug aus dem Buch “Recht Und Sprache” von Ludwig Günther, der Anno 1898(!) schon geschrieben hat (S. 170):

Schon das Adjektivum „beklagtisch“, das jener Adverbialbildung zu Grunde liegt, erscheint unzulässig, da ein einmal zum Hauptwort gewordenes Partizip („der Beklagte”) nicht wieder in ein Eigenschaftswort umgebildet werden kann.

Bei aller Freude am Juristendeutsch: Dem schließe ich mich an!

Beleidigte Kommunikationsverweigerung

angry-33059_640Es gibt Termine, die sind unnötig, es gibt Termine, die sind komplett unnötig und es gibt Termine, bei denen man sicht fragt, was wohl schief gelaufen ist, dass der Kollege nicht das absolute Minimum getan hat, um den Termin zu verhindern. Auch Anwälte, die gerne zu Gericht gehen, opfern ja nicht gerne einen ganzen Vormittag, um ein Missverständnis aufzuklären, dass durch ein Telefonat hätte aufgeklärt werden können.

Die Sache hätte trivialer nicht sein können. Der Insolvenzverwalter bediente sich in seinem Tabellenauszug einer unklaren Sprache, so dass sowohl wir wie auch das Gericht davon ausgingen, dass er hat bestreiten wollen, dass Arbeitsentgelt eine vorrangig zu befriedigende Masseverbindlichkeit gem. § 55 InsO sei. Wir erheben also flugs Feststellungsklage zum hiesigen Arbeitsgericht, um diesen vermeintlichen Irrtum zu korrigieren.

Im Termin – der wie üblich beim Massenverfahren Arbeitsgericht mit 35 Minuten Verspätung begann – erklärte die Kollegin, die den Insolvenzverwalter vertrat, dass dieser ja eigentlich gemeint habe, dass es keine Insolvenzforderung sei, weil es eine Masseverbindlichkeit gem. § 55 InsO sei. Den Anwalt und das Gericht freut es, wenn eine Sache so einfach und ohne größeren Streit beendet werden kann.

Als ich nach dem Termin wage, die Kollegin zu fragen, wieso der Insolvenzverwalter nicht nach Erhalt der Klage die Sache telefonisch oder mit kurzen Schriftsatz klargestellt hat, schnautzt sie mich an, dass ich ja auch hätte anrufen können (stimmt, hielt ich aber nicht für nötig, weil der Wortlaut eindeutig schien). Und wenn ich nicht anrufe, dann ruft sie auch nicht an, da macht sie lieber den Termin. Beneidenswert, wenn man so unausgelastet ist, dass man lieber zu Gericht fährt als einen Hörer in die Hand zu nehmen…

Teure Beratungsresistenz

Für den Anwalt gibt es nichts schlimmeres – für den gegnerischen Anwalt nichts schöneres – als den beratungsresistenten Mandanten, der nach dem Motto “Geld spielt keine Rolle” Prozesse führen lässt, die von vorneherein aussichtslos sind.

Der eigene Anwalt bekommt zwar seine Gebühren ohnehin, aber dennoch ist es für das Selbstwertgefühl vieler Kollegen nicht gut, wenn der eigene Mandant ausdrückliche Ratschläge zum Prozessrisiko in den Wind schlägt. Und wenn der Prozess dann wie vorhergesagt verloren geht, ist der Anwalt dem Zorn des Mandanten ausgesetzt, der natürlich glaubt, der verlorene Prozess sei Schuld des Anwalts.

So auch gestern beim Amtsgericht in München. Einfache WEG-Sache, Mandantin würde gerne die Waschküche mitbenutzen, die im Gemeinschaftseigentum steht. Mehrheitseigentümerin hat sie zugesperrt und verweigert die Nutzung mit einer Argumentation, die die Kollegin der Gegenseite im Termin mit “Sie findet, sie sei allein nutzungsberechtigt” zusammenfasst. Das Gericht nimmt daher in der Güteverhandlung alle Argumente der Gegenseite mit kurzen Worten auseinander und rät dringenst zu einem Anerkenntnis. Die Kollegin erklärt zerknirscht, dass sie dazu nicht berechtigt sei. Also wird es ein Urteil geben.

Kosten für die dann gerichtliche Nachhilfestunde: voraussichtlich ca. 3.000,00 €. Das Gericht und ich haben uns bei der Kollegin herzlich bedankt; so einfach verdient man sein Geld leider sehr selten. Die Kollegin, die ihrer Mandantin erklären muss, dass sie ihre Sturheit 3.000,00 € gekostet hat, beneide ich nicht. Nur die seltensten Mandanten sind bereit zu akzeptieren, dass der Fehler der ihrige war.

Das Problem mit dem “Potenzbeschleuniger”

Direkt neben dem großen (gemeindeeigenen und kostenlosen) Parkplatz befinden sich unsere Kanzleiräume. Vor dem Haus sind einige Privatparkplätze ausgewiesen, welche über eine Zufahrt zu erreichen sind, die rechts von der Einfahrt zum Parkplatz wegführt.

Direkt in die Einfahrt und mitten in die Zufahrt stellte ein netter Mitbürger, welcher möglicherweise etwas zu kompensieren hat seinen BMW X5 (“Potenzbeschleuniger”) ab – wohl weil ihm das fast komplett leere Parkplatz nicht gefällt – und geht. Als man nach längerer Zeit herausfinden kann, wer er ist und wo er ist, eilt er nach einem entsprechend “netten” Anruf herbei, um wegzufahren.

Und wohin? Genau: Auf den einzigen Behindertenparkplatz des Geländes. Ein Schelm, wer jetzt Böses denkt 😉

Möge die Macht mit dir sein

Passend zum neuen Star Wars Film, der nächsten Monat ins Kino kommt, hat sich ein Kollege wohl gedacht, er versucht sich als Yoda:

Somit steht fest, daß unzutreffend der Vortrag der Klagepartei ist, daß…

Leider inhaltlich korrekt sein Vortrag nicht war, wie bestätigt nun hat, der vom Gericht beauftragte Sachverständige. Die Macht wohl nicht mit ihm war. 😉

Klageerhebung prae­cox

Wer unter dem medizinischen Problem leidet, dass der Arzt als Ejaculatio praecox kennt, der (und dessen Partner/in) ist oft zu bemitleiden. Da wird vorzeitig etwas verpulvert, wo doch der spätere “Schuss” für alle viel befriedigender wäre.

Auch manche Kollegen (und/oder deren Mandanten) scheinen unter eine Variation dieses Problems zu leiden, welches ich “Klageerhebung praecox” getauft habe. Es ist das Problem, zwanghaft Klage erheben zu müssen, obwohl die Gegenseite zu einer außergerichtlichen Lösung bereit ist, keine Ausschluss- oder Verjährungsfristen zur Klage zwingen und der Gesetzgeber im RVG die außergerichtliche vergleichsweise Beilegung mit höheren Gebühren belohnt.

So auch in einer arbeitsgerichtlichen Klage, die mir auf dem Tisch liegt:
3 Wochen nach Ende des Arbeitsverhältnisses machte der ehemalige Arbeitnehmer eine Reihe von Beträgen geltend, die der Mandant bei besten Willen nur zum Teil nachvollziehen konnte. Wir schreiben dem gegnerischen Kollegen also umgehend zurück, dass manche Beträge so nicht stimmen, andere zugestanden werden und für den Rest um Erklärung gebeten werde. Dann werde der Mandant die offenen Beträge auch sicher auszahlen. Es folgt erstmal: nichts.

Nach einem Monat wird dem Mandanten die Klage zugestellt, die leider weiterhin nicht nachvollziehbar Beträge in den Raum wirft, aber der dankenswerterweise unseren Schriftsatz beiliegt (Substantiierung ade). Jetzt muss das Gericht halt fragen, wie der Gegner auf die Beträge kommt. Auch wenn Rosenheim ganz nett ist, den Ausflug dorthin hätte man sich eigentlich sparen können…

Athletische Meisterleistungen

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Der Beklagte – um die 40, ca. 150 kg schwer und entsprechend korpulent – lässt vortragen, dass der Kläger und seine Freunde – allesamt Anfang 20, schlank und körperlich fit – weggerannt seien, er sie aber nach 150 Metern eingeholt habe.

Bin gespannt, ob das Sachverständigengutachten, welches ich als Gegenbeweis angeboten hat, eingeholt wird oder ob das Gericht sich aus eigener Sachkunde zutraut, die Wahrheit dieser Behauptung zu überprüfen… 😉

Ist ja nur das Geld der Versichertengemeinschaft…

…denken sich wohl viele Sachbearbeiter der Versicherungen, die mit ihrer Sturheit Prozesse anzetteln, die die Versicherung am Ende weitaus mehr Geld kosten als die verlangte Regulierung.

Jüngstes Beispiel: Die DEVK. Der Mandant wollte nach einem Großschaden (ca. 20.000,00 € Reparaturkosten) Nutzungsausfallentschädigung für den Zeitraum zwischen Schaden und Fertigstellung der Reparatur, insgesamt ca. 3.000,00 €. Die DEVK zahlte 500,00 €, weil die Reparatur laut Sachverständigen ja nur 10 Tage hätte brauchen dürfen, also sei er ja selbst schuld, wenn es dann einen Monat gedauert hat. Mehrere Hinweise, dass der Mandant doch nichts dafür könne, wenn aufgrund des hohen Schadens erstmal ein Haufen Ersatzteile bestellt werden müssen (bestätigt von der Werkstatt), bleiben ohne Erfolg.

Der Mandant – rechtsschutzversichert – klagt also gegen die DEVK auf Zahlung weiterer 2.500,00 € und die Differenz der Anwaltskosten durch den damit verbundenen Gebührensprung. Nach Hauptverhandlung mit Zeugeneinvernahme spricht das Gericht 2.000,00 € zu. Kostentragung: 80% für DEVK, 20% Mandant (bzw. seine Rechtsschutzversicherung).

Bei einem Kostenrisiko von 1.600,00 € bedeutet dies, dass sich die DEVK die ersparten 500,00 € mit der Zahlung von mindestens 1.280,00 € erkauft hat. Unterm Strich hat die Sturheit des Sachbearbeiters die DEVK (und damit ihrer Versichertengemeinschaft) also ca. 800,00 € bis 900,00 € extra gekostet.

Unnötiges Anwaltsschaulaufen

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“Sammeltermin”. Das Wort allein verursacht bei den meisten altgedienten Kollegen ein Schaudern. Und das zu Recht.

Unter Sammeltermin versteht man die Praxis, mehrere frühe erste Termine (§ 275 ZPO) – meist ein Dutzend oder mehr (oder im Fall von BVerfG NJW 1985, 1149, auch mal 50+ Verfahren) – auf die gleiche Uhrzeit zu legen und die Kollegen dann alle herbeieilen zu lassen, um sich um die Rangfolge zu zoffen, denn wer zuerst kommt (meist viel früher als terminiert), der mahlt zuerst. Im Termin sitzen dann ca. 20 Anwälte hinten drin und ärgern sich, dass sie wohl 2-3 Stunden umsonst im Gericht verbringen, bis die Sachen vor ihnen abgearbeitet sind.

Kein Wunder also, dass Sammeltermine verpöhnt und aus der Sicht der meisten Kollegen auch zumindest nach der ZPO-Reform 2002 unzulässig sind (vgl. Schirp, BRAK-Mitt. 1/2003, S. 6). Die allermeisten Richter haben schon aus Eigeninteresse davon Abstand genommen und wählen lieber das schriftliche Vorverfahren nach § 276 ZPO, um möglichst früh schon alle entscheidenden Fragen zu klären; außerdem hat dieses Verfahren den Vorteil der Möglichkeit, durch Versäumnisurteil nach § 331 III ZPO entscheiden zu können, wenn keine Verteidigungsanzeige eingeht.

Ein paar Richter sträuben sich jedoch noch, dem Sammeltermin Lebewohl zu sagen. Zu einem solchen darf ich dann auch gehen am Mittwoch. Achja, die Klageerwiderung kam natürlich erst, als der Mandant – der Beklagten bekannt – im Urlaub war. Ich habe das Gericht daher um Terminsverlegung gebeten, weil ich mich ohne Rücksprache ohnehin nicht erklären könne. Der Richter hat dies abgelehnt.

So stehe ich also am Mittwoch extra früh auf, um bei Gericht möglichst früh dran zu kommen. Ich fürchte nur, die Kollegen werden das Gleiche tun…