Lebensfremd oder Verweigerungshaltung pur?

Aus dem Schreiben eines großes deutschen Versicherers nach einem Brandereignis im Imbiss unserer Mandantschaft:

Hinsichtlich der Lampen und Spiegel für das Damen WC, das Herren WC und den Vorraum bitten wir Sie um Nachweis, dass dort im Vorfeld bereits Spiegel und Lampen angebracht waren und bitten höflich um die Übersendung der Anschaffungsbelege.

Scheinbar müssen die armen Angestellten dieser Versicherung im Dunkeln und ohne Spiegel ihre Notdurft verrichten…

So kann man E-Mails natürlich auch “bearbeiten”

Die BRAK, der meine Kollegen und ich qua Gesetz angehören, bietet auf ihrer Homepage u. a. eine Jobbörse, bei der Rechtsanwälte und solche, die es werden wollen, kostenlos Stellenangebote und -gesuche veröffentlichen lassen können.

Am 15.05.2013(!) habe ich von dieser Möglichkeit auch Gebrauch machen wollen (frisch vom Examen) und eine E-Mail an die Adresse der BRAK geschickt. Danach: Das große Schweigen…

…bis mich heute folgende E-Mail-Benachrichtigung erreicht hat:

Ihre Nachricht

   An: Jobboerse (BRAK)
   Betreff: Stellengesuch
   Gesendet: Mittwoch, 15. Mai 2013 15:44:12 (UTC+01:00) Amsterdam, Berlin, Bern, Rom, Stockholm, Wien

 wurde am Donnerstag, 31. Juli 2014 13:19:17 (UTC+01:00) Amsterdam, Berlin, Bern, Rom, Stockholm, Wien ungelesen gelöscht.

So kann man E-Mails natürlich auch “bearbeiten”…

Eine Arm-e Polizeileistung

Wie LTO.de berichtet, haben Polizeibeamte in Köln bei einer Kontrolle gegen einen Radfahrer ein Verwarngeld von 25,00 € verhängt, weil dieser nur auf der linken Seite eine Handbremse gehabt habe. Was den Beamten vor Ort nicht ganz einleuchten wollte, war, dass der Betroffene schwerbehindert ist – weil ihm der rechte Arm fehlt. Vielmehr musste die Sache erst bei der Behörde überprüft werden, bevor man feststellen konnte, dass es unrechtmäßig ist, von einem Mann ohne rechten Arm zu verlangen, dass dieser auf der rechten Seite eine Handbremse hat.

Abgesehen davon, dass es auch den Beamten vor Ort hätte einleuchten müssen, dass Vorschriften nicht durchgesetzt werden sollten, wenn dies weder sinnvoll noch zweckmäßig ist, stellt sich außerdem die Frage, welchen Sinn die Vorschrift des § 47 I OWiG nach Meinung der Kölner Streifenpolizisten hat, wenn nicht einmal in einem solchen Fall davon ausgegangen wird, dass man die vermeintliche Ordnungswidrigkeit nicht verfolgen muss.

Fahrlässige Trunkenheit im Verkehr: Keine Tatmehrheit, wenn nach einem Unfall ohne Unterbrechung weitergefahren wird

Nach § 316 StGB wird derjenige bestraft, der ein Fahrzeug führt, obwohl er hierzu infolge des Genusses alkoholischer Getränke oder anderer berauschender Mittel nicht in der Lage war (vulgo: betrunken war). Nach Absatz 2 dieser Norm gilt dies auch, wenn die Tat fahrlässig begangen wird, was meist der Fall sein wird, da die Betrunkenen meistens glauben, sie könnten noch fahren.

Verursacht jemand in diesem Zustand einen Unfall, so wird ganz allgemein davon ausgegangen, dass dieser Unfall eine Zäsur darstelle, da auch ein Betrunkener spätestens jetzt merken muss, dass er nicht mehr fahrtüchtig sei. Fährt er trotzdem weiter, so macht er sich jetzt nach § 316 Abs. 1 StGB strafbar wegen einer vorsätzlichen Tatbegehung (bedingter Vorsatz). Beide Taten stehen dabei – obwohl sie einen Lebenssachverhalt betreffen – zueinander im Verhältnis der Tatmehrheit (§ 53 StGB), was sich i.d.R. straferhöhend auswirkt.

In einem Fall, den ich vor kurzem zu bearbeiten hatte, zeigte sich, dass das wahre Leben manchmal verrückter sein kann als die Fantasie eines jeden Juristen:

Der Mandant fuhr mit knapp 2 ‰ mit seinem Pkw auf der Straße. Von dieser kam er kurze Zeit später ab, raste in ein Feld und überschlug sich. Und zwar genau so, dass er wieder auf den Rädern gelandet ist. Hiervon wenig beeindruckt fuhr er weiter.

Das Amtsgericht hat ihn – zu Recht – nur wegen fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr gem. § 316 Abs. 2 StGB verurteilt. Zwar fand ein Unfall statt, aber da er ihn – zumindest nicht nachweisbar – tatsächlich bemerkt hat, gab es auch keinen Grund, eine Zäsur anzunehmen.

Die Pflicht Hartz IV beantragen zu müssen – oder: Warum das Arbeitsamt nicht will, dass man arbeitet

Es gibt unsinnige Regelungen, die bemerkt man erst, wenn es einen selbst trifft. Da ich (leider noch immer) arbeitslos bin, habe ich ein solches Juwel am eigenen Leib erfahren: § 155 I SGB III.

Kurze Erklärung: Nach dem Referendariat musste ich mich, wie alle meine Kollegen, die nicht sofort einen neuen Job gefunden haben, arbeitslos melden, um die Krankenversicherung nicht zu verlieren. Das Arbeitslosengel I, berechnet mit 60% des pauschalisierten Nettoentgelts (§ 149 Nr. 2 SGB III), beträgt bei einem Ex-Referendar “üppige” 500 Euro im Monat. Das reicht natürlich nicht zum Leben, schon gar nicht in einer Stadt wie München. Ein Empfänger von Leistungen nach SGB II (vulgo “Hartz IV”) bekommt ja bereits 382 Euro plus die Kosten für die Miete, also so ca. 800 Euro.

D.h. die Differenz zwischen Arbeitslosengeld I und dem Mindestbetrag, den man zum Leben braucht, muss irgendwo her kommen. Und hier kommt die Genialität des § 155 SGB III ins Spiel: Wenn ich die Differenz erarbeiten möchte – also z.B. mit einem 450 Euro Job – dann wird das auf mein Arbeitslosengeld (minus 165 Euro Freibetrag) angerechnet. D.h. würde ich 450 Euro verdienen, würden davon 285 Euro angerechnet, ich hätte also am Ende des Monats 665 Euro – immer noch zu wenig zum Leben. Wenn ich dagegen Grundsicherung nach SGB II (“Aufstockung”) beantrage, bekomme ich diese ohne Anrechnung komplett. Die Regelungen des Arbeitslosengelds I sehen also ausdrücklich vor, dass man nicht einmal den Mindestbetrag, den man zum Leben braucht, selbst verdienen darf, sondern stattdessen Hartz IV beantragen muss. Der Berater bei der Arbeitsagentur hat mir dies auch zu meiner Verblüffung so bestätigt.

Ich hoffe inständig, dass ich bald eine Stelle finde, so dass ich dieses System verlassen kann. Soviel Unsinn kann man nur eine begrenzte Zeit ertragen…

Erfahrungen sammeln nur mit Einzelsprechschein erlaubt

Es klingt etwas absurd, aber wenn ein Rechtsreferendar – wie ich – seinen Ausbildungsanwalt / seine Ausbildungsanwältin zu Ausbildungszwecken in die Justizvollzugsanstalt München-Stadelheim begleiten möchte, um dort die Mandanten zu besuchen, die in Untersuchungshaft sitzen, dann muss für jeden einzelnen Besuch und jeden einzelnen Mandanten ein Sprechschein (Einzelsprechschein) für den Rechtsreferendar beantragt und bewilligt werden. Das bedeutet quasi, dass wenn der Anwalt / die Anwältin, den Rechtsreferendar, der ja ihm/ihr zugewiesen wurde, damit er praktische Erfahrungen sammeln kann, dies nur tun kann, wenn die Staatsanwaltschaft (der die Ausführung des § 119 StPO gem. § 119 II 2 StPO meist übertragen wurde) dem zustimmt.

Ich weiß nicht, wie es anderen geht, aber ich finde es etwas widersprechend, dass das bayerische Justizministerium einerseits in § 44 JAPO vorschreibt:

Der Vorbereitungsdienst hat das Ziel, die Rechtsreferendare mit den Aufgaben der Rechtspflege und der Verwaltung vertraut zu machen und dadurch in die Verwirklichung des Rechts einzuführen. Am Ende der Ausbildung sollen die Rechtsreferendare in der Lage sein, in der Rechtspraxis, so weit erforderlich nach einer Einarbeitung, eigenverantwortlich tätig zu sein und den vielseitigen und wechselnden Anforderungen der Gesellschaft gerecht zu werden.

aber andererseits es extrem verkompliziert wird, dass Rechtsreferendare tatsächlich diese Ziele erreichen.

In meinem Fall hat das z.B. bedeutet, dass ich beim letzten JVA-Besuch am Dienstag bei einem von drei Mandanten draußen warten musste, weil der Sprechschein nicht rechtzeitig beantragt werden konnte. Obwohl ich mich mit dessen Akte vielleicht sogar mehr beschäftigt habe als meine Ausbilderin…