Das Gericht als Postbote?

Wir klagen für Mandantin auf Herausgabe einer bestimmten Urkunde aus Vertrag. Nachdem der Beklagte erstmal behauptet hat, die Urkunde gar nicht mehr zu haben, lässt er seinen Anwalt sie dann doch noch übersenden… als Anlage eines Schriftsatzes an das Gericht.

Die Originalurkunde liegt also nun in der Gerichtsakte. Vom Gericht folgt daher die verständliche Frage:

Es wird angefragt, wie in der Sache weiter verfahren werden soll?

Nunja, recht einfach denke ich mir: Der Beklagte muss versuchen, das Original vom Gericht wieder zu bekommen und der Mandantin zu schicken. Denn Herausgabe an das Gericht war nicht eingeklagt. Oder er lässt sich verurteilen, bekommt das Original dann wieder und kann es danach herausgeben. Die Kosten bleiben so oder so bei ihm hängen. Wieso es dafür eines Gerichtsverfahrens bedurfte ist aber nicht verständlich.

PS: Und dann mag sich das Gericht überlegen, ob es nicht die Akten an die Staatsanwaltschaft weitergibt, wegen Verdachts des versuchten Prozessbetrugs. Denn die nun vorgelegte Rechnung will der Beklagte vor einem Jahr an die Mandantin geschickt haben.

4 Gedanken zu „Das Gericht als Postbote?

  1. Wieso sollte das Gericht den Bekl. jetzt noch zur Herausgabe verurteilen, wenn doch gerichtskundig ist, dass der Bekl. keinen Besitz an der Urkunde mehr hat?

    • Eine Verurteilung auf Herausgabe erfordert nicht zwingend, dass der Beklagte im Besitz der Urkunde ist. Es genügt, wenn er die Urkunde beschaffen oder selbst (neu) erstellen kann. Der Anspruch ist nur dann nach § 275 BGB ausgeschlossen, wenn die Leistung unmöglich ist. Dies ist aber nicht schon der Fall, wenn der Schuldner nicht über die Sache disponieren kann, sondern erst dann, wenn feststeht, dass er auch in Zukunft definitiv nicht mehr disponieren können wird (vgl. MüKoBGB7Ernst, § 275 Rn. 53). Da der Beklagte aber einen Herausgabeanspruch gegen das Gericht hat, soweit es die Originalurkunde betrifft, zumindest nach Abschluss des Verfahrens, kann er die Sache wieder erlangen und dann auch den Anspruch in der Folge erfüllen.

      • Sofern Sie aus § 985 BGB klagen, ist der fortbestehende Besitz Tatbestandsmerkmal des Anspruchs und muss zum Schluss der mündlichen Verhandlung (noch) vorliegen. Mit Unmöglichkeit hat das in diesem Fall nichts zu tun.

        • Korrekt, das hätte ich klarstellen müssen, dass aus Vertrag geklagt wird. Dieser Anspruch geht nicht unter mit dem Verlust des Besitzes

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