NSU-Prozess: Saal-Probleme, Teil ∞, und das Kreuz mit dem Kreuz

Im heutigen Fortsetzungstermin des NSU-Prozess wiederholen die Verteidiger von Beate Zschäpe etwas, das (fast) alle Medien und Politiker des Landes schon getan haben: Sie fordern einen größeren Saal. Die Chancen, dass ein entsprechender Antrag der Verteidigung erfolgreich sein wird, sind wohl mit ca. +/- 0% zu bewerten. Das Gericht könnte dem Antrag nur stattgeben, wenn ein größerer Saal verfügbar wäre, was gerade nicht der Fall ist. Auch dann wären es natürlich dazu nicht verpflichtet, da sich weder aus dem Grundgesetz noch aus § 169 GVG eine bestimmte Größe des Saals ablesen lässt. Der Antrag ist daher wohl nur gestellt worden, um a) das Verfahren zu verzögern und b) für eine Revision sicher zu gehen, dass es nicht an formellen Fehlern scheitert.

Einer der Nebenkläger will derweil das Holzkreuz aus dem Saal entfernen lassen. Die Bayern sind ja grundsätzlich etwas hartnäckig was ihre Kreuze in Sälen und Klassenzimmern angeht (vgl. nur BVerfGE 93, 1), für Gerichtssäle hat das Bundesverfassungsgericht jedoch bereits in den 1970er-Jahren in BVerfGE 35, 366 entschieden, dass “[die] Weigerung […] eine mündliche Verhandlung in einem Gerichtssaal ohne Kruzifix zu ermöglichen” einen Beteiligten in seinem Grundrecht aus Art. 4 I GG verletzen kann, so dass dieser Antrag – wenn der Senat wirklich so revisionssicher arbeiten will wie möglich – wohl Antrag auf Erfolg haben wird.

2 Gedanken zu „NSU-Prozess: Saal-Probleme, Teil ∞, und das Kreuz mit dem Kreuz

  1. Im Zusammenhang mit dem Kreuz kann ich einfach nicht verstehen, warum Muslima mit Kopftuch unterrichten dürfen, in Gerichtssälen derweilen aber die Kreuze von der Wand müssen? Wo bleibt da die Rechtseinheit?

    • Das Problem das Sie mit der Rechtseinheit sehen, folgt aus einem fehlerhaften Vergleich: Kopftuch und Kreuz an der Wand sind wie Äpfel und Birnen – korrekterweise müsste man Kopftuch mit Halskette mit Kreuz dran und Kreuz an der Wand mit Davidstern oder Sichelmond an der Wand vergleichen. Ersteres ist nämlich ein persönlicher Ausdruck von Glauben – eindeutig als solcher zu erkennen – während ein religiöses Symbol an der Wand eines Saals, in welchem der Staat dem Bürger gegenübertritt eine weitergehende Identifikation des Staates (hier der Justiz) mit den Idealen des durch des Symbol verkörperten Glaubens (zumindest) erscheinen lässt. Um das o.g. Urteil des BVerfG (Rn. 25) zu zitieren:

      […] vermittelt die ständige Ausstattung von Gerichtssälen mit Kreuzen […] den Eindruck einer weiter gehenden Bedeutung. Denn das Kreuz als Sinnbild des Leidens und der Herrschaft Christi gilt von alters her als symbolischer Inbegriff des christlichen Glaubens. Auf seine mannigfachen Verwendungen im Laufe der Geschichte […] braucht hier nicht eingegangen zu werden. Denn jedenfalls liegt dann, wenn ein Gebäude oder ein Raum mit einem Kreuz versehen wird, auch heute der Eindruck nahe, dadurch solle eine enge Verbundenheit mit christlichen Vorstellungen bekundet werden.

      Bzgl. der Kopftuchfrage sei auf BVerfGE 108, 282 verwiesen.

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