Lesetipp: Abschaffung des § 166 StGB, nicht Verschärfung

Auch wenn ich mit der Süddeutschen Zeitung aufgrund miserabler Berichterstattung auf lokaler Ebene inklusive der Verbreitung von Unwahrheiten wider besseren Wissens zur Zeit etwas auf Kriegsfuß stehe, ist deren Elite immer noch zu prägnanten und lesenswerten Beiträgen fähig, weshalb ich allen empfehle, Heribert Prantls Kommentar zu den Forderungen, Gotteslästerung (wieder härter) zu bestrafen, zu lesen.

Zum selben Thema auch Prof. Dr. Hoeren im beck-blog: Plädoyer für die Abschaffung von § 166 StGB – Charlie Hebdo und die Folgen.

Femen-Aktivistin wegen Störung der Religionsausübung verurteilt

Aus den Rubriken “Staatsanwälte und Gerichte haben ja nichts besseres zu tun”* und “Es ist soooo wichtig, dass der Staat religiöse Gefühle mit den Mitteln des Strafrechts schützt”* stammt der Bericht, dass eine damals 20-jährige Femen-Aktivistin nun wegen § 167 StGB zu einer Geldstrafe von 60 Tagessätzen á 20 € verurteilt wurde.

Abgesehen davon, dass es Anfang des 21. Jahrhunderts befremdlich ist, dass der deutsche Staat glaubt, er müsste die religiösen Gefühle bestimmter Menschen mit den Mitteln des Strafrechts verteidigen und dafür extra Straftatbestände (§§ 166 ff. StGB) vorhalten, ist eine solche Strafe für einen legitimen Protest deutlich überhöht. Nicht nur, dass hier Grundrechte (Art. 5 GG) eine Rolle spielen, sondern auch das junge Alter der “Täterin” und das Vorgehen der Kirchenbesucher (die sie in Ausübung bester christlicher Nächstenliebe erstmal geohrfeigt haben), würden bei anderen Delikten wohl dazu führen, dass bei einer (angenommen) Nichtvorbestraften eine Einstellung wegen geringer Schuld oder eine weitaus geringere Geldstrafe** folgen würden.

Aber weltanschaulich neutral ist die Bundesrepublik Deutschland halt nunmal nicht…

* Vorsicht, Ironie!
** Zum Vergleich: 60 Tagessätze wurden in einem mir bekannten Fall als angemessen für einfache Körperverletzung (§ 223 StGB) mit mehreren Vorstrafen gesehen