EuGH: Bahn muss für Verspätungen bei höherer Gewalt zahlen

Mit einem heute verkündigten Urteil (Az. C-509/11) hat der EuGH entschieden, dass die Bahn auch für Verspätungen Entschädigungen zahlen muss, die auf sog. “höherer Gewalt” beruhen. “Höhere Gewalt” umfasst dabei alle Gründe, die außerhalb des Einflusses der Bahn stehen, wie Unwetter oder Streiks. Demnach haben Fahrgäste einen Anspruch, bis zu 50% des Fahrpreises erstattet zu bekommen, egal worauf die Verspätung beruht.

Die Entscheidung ist zu begrüßen, da der Schaden für die Fahrgäste ja unabhängig davon ob die Bahn Schuld hat oder nicht immer die selben Folgen hat. Im Flug-, Schiff- und Busverkehr gelten jedoch weiterhin andere Regelungen, so dass sich zeigen wird, ob die EuGH-Richter hier nicht eine Entscheidung getroffen haben, die die Bahn-Unternehmen Europas gegenüber den sonstigen Verkehrsbetreibern unzulässig benachteiligt.

Fall Mollath: Verfassungsbeschwerde erfolgreich

Auch wenn Gustl Mollath (endlich) die beantragte Wiederaufnahme bekommen hat, hat das Bundesverfassungsgericht dessen Verfassungsbeschwerde gegen die Beschlüsse des Landgerichts Bayreuth und des Oberlandesgerichts Bamberg aus dem Jahre 2011 stattgegeben. In diesen war die Fortdauer der Unterbringung angeordnet bzw. die Beschwerde hiergegen als unbegründet verworfen worden.

Die zuständige Kammer des 2. Senats rügt in ihrem Beschluss, dass das Landgericht sich mit den Gutachten zu wenig auseinander gesetzt habe und die Prognoseentscheidung faktisch diesen Gutachtern überlassen habe, obgleich es Aufgabe des Gerichts war, “unter Berücksichtigung weiterer Hinweise des Sachverständigen und sonstiger Umstände des vorliegenden Falles diese Einschätzungen gegeneinander ab[zu]wägen und eine eigenständige Prognoseentscheidung [zu] treffen”. Insbesondere hätten zu erwartende Straftaten konkret benannt werden müssen, sowie dargelegt werden müssen, wieso die Wahrscheinlichkeit der Begehung solcher Taten so hoch gewesen wäre und auf welchen Tatsachen diese Prognose beruht.

Komplett missfällt dem Verfassungsgericht, dass sowohl LG als auch OLG die Verhältnismäßigkeit der Fortdauer ausschließlich mit Hinweis auf die ihm zur Last gelegten Körperverletzungsdelikte begründet haben. Zu Recht weist das Gericht darauf hin, dass es sich um Taten gehandelt habe, die – selbst wenn sie so geschehen sind – vor über zehn Jahren waren und nur im Rahmen der Ehe mit Mollaths Ex-Frau passiert sind, von der er ja zwischenzeitlich geschieden und getrennt war. Eine Darlegung, wieso die Gefahr bestünde, dass er aktuell(!) solche Körperverletzungsdelikte begehen würde, haben beide Gerichte nicht erbracht. Damit fehle es “bereits an einer zureichenden Grundlage für die Abwägung zwischen den Sicherungsinteressen der Allgemeinheit und dem Freiheitsanspruch des Beschwerdeführers”, so das Verfassungsgericht weiter, so dass die Beschlüsse aufzuheben und an das OLG Bamberg nach § 95 II BVerfGG zurückzuverweisen gewesen sei.

Update (05.09.2013 – 11:38):

In ihrer bewährten Art, nur zu sehen, was ihr gefällt, hat die bayerische Justizministerin Beate Merk eine Pressemitteilung herausgeben lassen. Darin findet sich u. a. der “wunderbare” Satz:

Es ist wichtig, dass unser höchstes Gericht nun Klarheit geschaffen hat, welche Anforderungen an die Begründung von Entscheidungen über den lange währenden Freiheitsentzug eines Menschen gelten.

Das ist deshalb so pervers, denn das Verfassungsgericht hat mit seinem Beschluss nicht etwa neu erfunden, dass die Unterbringung verhältnismäßig sein muss. Sondern es hat – in sehr deutlicher Weise – gerügt, dass die betreffenden bayerischen Gerichte nicht über dieses Grundwissen verfügen. Also ist es sehr wohl eine “schallende Ohrfeige” für die Ministerin, wenn ihr aus Karlsruhe attestiert werden muss, dass sie Richter beschäftigt, die nichtmal die Grundlagen des Unterbringungsrechts beherrschen. Denn für deren Anstellung ist sie nunmal – bei aller Gewaltenteilung – zuständig!

 

BGH: Sammlermünzen sind kein “Geld” i.S.d. § 935 II BGB

Der §935 II BGB ist eine für Jura-Studenten manchmal gewählte Falle, wenn es um die Eigentumsübertragung abhanden gekommener Sachen geht. Nach § 935 I BGB ist ein gutgläubiger Erwerb vom Nichtberechtigen solcher Sachen ja grundsätzlich nicht möglich. Nach Absatz 2, den manch ein Student in der Eile gar nicht beachtet, gilt eine Ausnahme von dieser Regel für “Geld oder Inhaberpapiere” sowie Sachen aus Versteigerungen.

In meinem (alten) Palandt (67. Auflage 2008) steht dazu noch, dass es sich bei “Geld” um “umlauffähiges in- oder ausländisches Geld” handeln muss, das “objektiv als Zahlungsmittel geeignet” sei (bei § 935 Rn. 11); unerheblich sei dabei die entgegenstehende Zweckbestimmung des Veräußerers. Begründet wurde das mit einem Hinweis auf LG Würzburg, NJW 1988, 2191. Der BGH hat mit Urteil vom 14. 6. 2013 – V ZR 108/12 – jetzt entschieden, dass es nicht nur darauf ankommen kann, ob die Münzen – die ja alle einen Nennwert haben – theoretisch als Zahlungsmittel verwendet werden könnten, sondern ob eine solche Münze “[d]arüber hinaus […] zum Umlauf im öffentlichen Zahlungsverkehr bestimmt und geeignet ist”. Gerade Sammlermünzen “sind aber nach ihrer Gestaltung (unüblicher Nominalwert, besonderes Material, unübliche Prägung oder Herstellungsart) nicht für diese Funktion gedacht, sondern dienen als Anlage- oder Sammelobjekte”, so der BGH zu Recht. Begründet wird dies zusätzlich noch ausführlich mit Bezügen auf das deutsche MünzG und das österreichische ScheidemünzenG.

Interessant kann eine solche Konstellation auch für Studenten werden, indem man in eine Klausur ein solches Zusatzproblem einbaut, das sich für ausführliche Argumentation eignet.

(via haerlein.blog.de)