BGH: Fischer setzt sich gegen Tolksdorf durch

Ein fast kindlicher Streit vor dem höchsten deutschen Strafgericht ist (hoffentlich) endlich zu Ende. Das Bundeskabinett will Fischer nun für den Job vorschlagen, auf den er sich vor mehr als zwei Jahren beworben hat: Vorsitzender des 2. Strafsenats.

Kurze Rekapitulation:
Thomas Fischer, der Verfasser und Herausgeber des wohl am meisten genutzten Kommentars zum StGB, wurde damals – nachdem er zuvor jahrelang beste Beurteilungen erhalten hatte – vom Präsidenten des BGH, Klaus Tolksdorf, schlecht beurteilt und dann in der Folge übergangen, als der Vorsitzendenposten im 2. Strafsenat – dem er angehörte – frei wurde. Dagegen klagte Fischer vor dem VG Karlsruhe, mit der Folge, dass dieser Vorsitz nicht besetzt werden konnte. Als zwei andere freiwerde Posten in anderen Strafsenaten mit anderen Richtern besetzt werden sollten, klagte Fischer auch hiergegen, so dass am Ende drei von fünf Senaten keinen Vorsitzenden hatten. Obwohl genug Posten frei gewesen wären und Fischer daher ein Vorsitz angeboten hätte werden können, beharrte Tolksdorf auf seiner Position und übernahm lieber selbst einen dieser Posten anstatt Fischer vorzuschlagen.

Anders als Herrn Tolksdorf, wurde es der Bundesjustizministerin Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) wohl zu viel des Streits und sie hat sich mit Fischer geeinigt. Jetzt können hoffentlich schnell die anderen Vorsitzendenposten besetzt werden. Vor allem der Vorsitz des 1. Strafsenats (zuständig für Bayern und Baden-Württemberg) sollte rasch – aber mit bedacht – besetzt werden. Allein schon um möglichst schnell die Fehlentwicklungen der letzten Jahre in dessen Rechtsprechung zu korrigieren.

PS: Fischer ist dabei nicht der einzige Richter, der Probleme mit dem Führungsstil Tolksdorfs hat: Im SPIEGEL 8/2003 gibt es dazu einen interessanten Artikel mit dem bezeichnenden Titel “Der Gutsherr”

Lesehinweis: Fall Mollath und die ignorierten Beweismittel

Auf sueddeutsche.de gibt es im Moment einen sehr interessanten Artikel in dem u.a. dokumentiert wird, dass der ehemalige Vorsitzende der 7. Strafkammer der LG Nürnberg vor dem Untersuchungsausschuss des bayerischen Landtags unverblümt zugegeben hat, dass er als Richter im Prozess gegen Herrn Mollath die Verteidigungsschrift des Angeklagten nicht gelesen habe, weil er noch “anderes zu tun gehabt” habe.

Ich bin mir nicht sicher, was mich mehr aufregen sollte: Dass ein Richter meint, dass das das korrekte Vorgehen in einer Strafsache sein kann, oder dass solche Erkenntnisse nicht massive Reaktionen der Bevölkerung auslösen.

Florian Streibl (Freie Wähler) bezeichnet den Fall korrekt als Beispiel für “Selbstherrlichkeit, Überlastung und Behördenversagen” im Fall Mollath. Der Ausschussvorsitzende Florian Herrmann (CSU) will dem nicht zustimmen. Da kann sich jetzt jeder seinen Teil denken dazu…

Komplettes Verwandtenbeschäftigungsverbot im bayerischen Landtag – Klingt gut, ist aber im Endeffekt Unsinn

Der bayerische Landtag hat heute – in Reaktion auf Berichte dass Politiker (vor allem der CSU) ihren Verwandten Beschäftigungsverhältnisse auf Kosten des Steuerzahlers verschafft haben – beschlossen, dass keine Verwandte bis zum vierten Grad (Cousin / Cousine) mehr beschäftigt werden dürfen sowie Verwandte anderer Abgeordneter bis zum dritten Grade. Dieses – mit heißer Nadel gestrickte – Gesetz klingt auf dem Papier nach einer guten Lösung.

Verfolgt man den Gedanken aber konsequent zu Ende, ist es jedoch Unsinn. Der Steuerzahler hat das Recht darauf, dass er mit seinem Geld die bestmöglichen Arbeitskräfte bezahlt, so dass der Landtag so effektiv wie möglich arbeitet. Nicht ohne Grund misst Art. 33 GG allein “Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung” einen Wert bei der Auswahl von Beschäftigten des öffentlichen Dienstes bei. Auch bei den Beschäftigten von Abgeordneten sollte dieses Prinzip – und nur dieses – zum Tragen kommen. Wenn die Tochter / die Oma / der Onkel des Abgeordneten X die Aufgabe objektiv am besten erfüllen kann, ist es unsinnig, ihr / ihm allein aufgrund seiner Verwandtschaft – für die sie / er nichts kann(!) – die Beschäftigung zu verwehren und es ist unsinnig, wenn der Steuerzahler einen weniger qualifizierten Bewerber bezahlen muss, nur weil der / die qualifizierteste mit irgendjemanden im Landtag verwandt ist.

Natürlich ist mir klar, dass der Anschein der Vetternwirtschaft in diesem Fall entstehen kann. Aber dafür gibt es bessere Lösungen: Anstatt – wie jetzt entschieden – dem Landesamt die Einhaltung dieser Bestimmungen zu übertragen, könnte dieses z. B. auch als neutrale Behörde (anonymisierte) Bewerbungen von Verwandten empfangen und bescheiden. Der Anschein von Vetternwirtschaft kann logischerweise nur dann entstehen, wenn die Abgeordneten Einfluss auf die Beschäftigung ihrer Verwandten haben. Ein System zu schaffen, in diesem die Abgeordneten nachprüfbar keinen Einfluss haben, würde das Problem also effizienter lösen und zugleich dem Anspruch gerecht werden, nur die am besten geeigneten Mitarbeiter zu beschäftigen.

NSU-Prozess: Saal-Probleme, Teil ∞, und das Kreuz mit dem Kreuz

Im heutigen Fortsetzungstermin des NSU-Prozess wiederholen die Verteidiger von Beate Zschäpe etwas, das (fast) alle Medien und Politiker des Landes schon getan haben: Sie fordern einen größeren Saal. Die Chancen, dass ein entsprechender Antrag der Verteidigung erfolgreich sein wird, sind wohl mit ca. +/- 0% zu bewerten. Das Gericht könnte dem Antrag nur stattgeben, wenn ein größerer Saal verfügbar wäre, was gerade nicht der Fall ist. Auch dann wären es natürlich dazu nicht verpflichtet, da sich weder aus dem Grundgesetz noch aus § 169 GVG eine bestimmte Größe des Saals ablesen lässt. Der Antrag ist daher wohl nur gestellt worden, um a) das Verfahren zu verzögern und b) für eine Revision sicher zu gehen, dass es nicht an formellen Fehlern scheitert.

Einer der Nebenkläger will derweil das Holzkreuz aus dem Saal entfernen lassen. Die Bayern sind ja grundsätzlich etwas hartnäckig was ihre Kreuze in Sälen und Klassenzimmern angeht (vgl. nur BVerfGE 93, 1), für Gerichtssäle hat das Bundesverfassungsgericht jedoch bereits in den 1970er-Jahren in BVerfGE 35, 366 entschieden, dass “[die] Weigerung […] eine mündliche Verhandlung in einem Gerichtssaal ohne Kruzifix zu ermöglichen” einen Beteiligten in seinem Grundrecht aus Art. 4 I GG verletzen kann, so dass dieser Antrag – wenn der Senat wirklich so revisionssicher arbeiten will wie möglich – wohl Antrag auf Erfolg haben wird.

Bundesverfassungsgericht: Kein Anspruch auf Platz im NSU-Prozess für Journalisten und kein Anspruch auf Videoübertragung

Das Bundesverfassungsgericht hat mit Beschluss vom 01.05.2013 einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt, mit der ein freier Journalist einen Platz im Gerichtssaal erreichen wollte, hilfsweise eine Übertragung in einen anderen Saal per Video verlangte.

So führt das Gericht aus:

Eine Verletzung des Rechts des Beschwerdeführers auf Gleichbehandlung im publizistischen Wettbewerb gemäß Art. 3 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG ist nach seinem Vorbringen offensichtlich nicht gegeben. Bei der Verteilung knapper Sitzplätze hat der Vorsitzende des jeweiligen Spruchkörpers einen erheblichen Ermessensspielraum. Das Bundesverfassungsgericht überprüft dessen Anordnungen nur dahingehend, ob sie Verfassungsrecht verletzen und insbesondere, ob sie auf einer grundsätzlich unrichtigen Anschauung von der Bedeutung eines Grundrechts beruhen (vgl. BVerfGE 18, 85 <97 f.>). Es ist dagegen nicht Sache des Bundesverfassungsgerichts, eine Verteilungsentscheidung des Vorsitzenden umfassend und im Einzelnen darauf zu überprüfen, ob die beste Verteilmodalität gewählt worden war (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 18. März 2008 – 1 BvR 282/01 -, NJW-RR 2008, S. 1069). Ein Anspruch auf Bild- und Tonübertragung der Verhandlung in einen anderen Saal des Gerichts lässt sich aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG nicht herleiten (BVerfGE 87, 331 <333>).

Mit dem letzten Satz macht das oberste Gericht klar, dass es keinen Anspruch auf Videoübertragungen gibt, der im Wege einer Verfassungsbeschwerde einforderbar wäre. Auch wenn damit nicht geklärt ist, ob eine solche Übertragung an sich verfassungsgemäß wäre, so ist für Karlsruhe zumindest geklärt, dass ein Anspruch darauf nicht besteht. Außerdem dürfte der relativ klare und kurze Wortlaut dazu dienen, andere Medien, die bei der neuerlichen Platzvergabe leer ausgegangen sind, davon abzuhalten, ebenfalls dagegen vor dem Verfassungsgericht vorgehen zu wollen.