NSU-Prozess: Weiteres Gejammer über Platzvergabe

Auch andere Medien haben sich dem vorherzusehenden Gejammer über die Platzvergabe an Journalisten im NSU-Prozess angeschlossen:

  • Tim Aßmann vom BR auf tagesschau.de stellt unsinnige Verbindungen auf, nach denen das Gericht irgendwie schuld sein soll, dass das bayerische Justizministerium keinen größeren Saal zur Verfügung gestellt hat
  • K. Polke-Majewski von der ZEIT nennt es ein “unsägliches Schauspiel” und spricht dem Gericht Souveränität ab, weil das neue Verfahren den so verbitterten “Kämpfern für Gerechtigkeit” bei der ZEIT ihre festen Plätze gekostet hat
  • Reinhard Müller von der FAZ springt wie die SZ auf den “Farce”-Zug auf und findet, dass “[d]ie Kontingente, die Beschränkungen des Verfahrens […] weltfremd und nicht sachgerecht” seien. Außerdem hätte das Gericht “auch Medien mit einem nationalen Anspruch berücksichtigen müssen”, Herr Müller glaubt also, es sei Aufgabe des Gerichts, zu unterscheiden, welche Medien “nationalen Anspruch” hätten und müsste diese bevorzugt behandeln.
  • Christian Bommarius von der Berliner Zeitung nennt das Ergebnis “absurd” und betätigt sich als Wahrsager, der weiß, dass das Risiko, dass das Bundesverfassungsgericht eine Videoübertragung verbieten würde, “lächerlich gering” sei. Woher er diese Weisheit nimmt, ist nicht bekannt.
  • Per Hinrichs von der Welt geht sogar soweit, statt eines objektiven rechtsstaatlichen Verfahrens eine “nach Auflage und Reichweite orientierte Auswahl” zu fordern – oder, um es anders zu formulieren, ein Verfahren, das nach subjektiven Kriterien seiner Wahl große Zeitungen bevorzugt. Auch hier wird das Wort “Farce” synonym mit einem gesetzlich korrekten, objektiven, vom Bundesverfassungsgericht sanktionierten Verfahren verwendet, weil das Ergebnis der Welt nicht passt. Dass Herr Hinrichs glaubt, der Prozess solle “der auch der Wiedergutmachung [… ] dienen” bezeugt auch nur, dass er glaubt, es sei Aufgabe des Gerichts, die Fehler der Politik zu korrigieren.

Es gibt aber auch andere, vernüftigere Stimmen. Christian Rath von der taz zum Beispiel hat in seinem Kommentar ausdrücklich das neue Verfahren gelobt, obwohl das Verfahren die taz ihren sicheren Platz im Gerichtssaal gekostet hat. Der Tagesspiegel, auch ein Verlierer des neuen Verfahrens, hat sich bisher sogar ganz zurückgehalten, es zu kommentieren.

Update 29.04.13 @ 22:37 Uhr:
Link zum Kommentar in der Welt eingefügt.

Presseplätze im NSU-Prozess – Erstes Gejammer ist da

Im letzten Eintrag habe ich vorhergesagt, dass die etablierten Medien, die beim neuen Vergabeverfahren – welches sie selbst lautstark gefordert haben – leer ausgegangen sind, sich darüber beschweren werden.  Fünf Stunden nach der Bekanntgabe macht, soweit ich das sehe, Herr Kister von der Süddeutschen den Anfang. Er nennt das Auswahlverfahren eine “Farce” und beschwert sich, dass etablierte Medien dadurch benachteiligt wurden. Mehr noch, Herr Kister “schämt” sich für das rechtsstaatliche Verfahren, mit dem das Gericht ungeachtet der (selbst ernannten) Wichtigkeit einzelner Medien allein nach Zufall entschieden hat.

Am makabersten finde ich dieses Zitat:

 Dieses Gericht mag einen Begriff von “Öffentlichkeit” haben. Was Öffentlichkeit heute bedeutet und welche Medien, etablierte wie digitale, dazugehören, weiß es offenbar nicht.

Es zeigt ein Rechtsverständnis, das man nur als falsch bezeichnen kann. Das Gesetz hat einen Begriff von Öffentlichkeit und nicht das Gericht. Und unsere Gesetze diskriminieren nunmal gerade nicht nach dem mutmaßlichen “Wert” eines Mediums; hätte das Gericht dies getan, die SZ wäre wohl an vorderster Front der Kritiker gewesen.

Als es nach Reihenfolge des Eingangs ging, war die SZ noch dabei und hat sich darüber aufgeregt, dass das Verfahren andere Medien benachteiligt habe. Jetzt wo ein Verfahren gewählt wurde, das diese Benachteiligung verhindern sollte, beschwert sie sich, nicht mehr dabei zu sein. Es gibt sicher Kindergärten in denen weniger gejammert wird…

NSU-Prozess: Presseplätze neu vergeben – oder: Das Risiko von Verlosungen

Wei gerade berichtet, hat das OLG München die Presseplätze neu verteilt. Nach langer Kritik in Medien und Politik, bis zu einer fragwürdigen Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, war eine Neuvergabe nötig geworden. Das OLG entschied sich, das Verfahren neu zu starten, um eine rechtsstaatlich korrekte Lösung zu schaffen und entschied sich dabei, die Plätze zu verloren, nachdem Kontingente nach objektiven Kriterien gebildet worden waren (u.a. für türkische, griechische und persische Medien, Nachrichtenagenturen etc.)

Das heutige Verfahren war also garantiert komplett fair und objektiv – und wird trotzdem ein Haufen Kritik nach sich ziehen. Denn einige der Medien, die am lautesten geschrien haben, haben gemerkt, dass Losverfahren halt ein Glücksspiel sind. So sind u.a. die FAZ, die Süddeutsche Zeitung, die ZEIT und die taz – die alle vorher Plätze sicher hatten – nicht mehr dabei. Die taz erwägt wohl auch bereits eine Klage auf Videoübertragung für Journalisten deshalb. Dabei sind dafür u.a. die Bild, Passasuer Neue Presse, ARD und WDR, aber auch RTL II und Sat 1 und Exoten wie “Brigitte” und “Hallo München” haben jetzt feste Plätze erhalten. Auf Twitter hat schon längst eine Mischung aus Hohn, Sarkasmus und Verärgerung darüber begonnen, die wohl bald auch in den etablierten Medien zu finden sein wird. Dabei vergessen alle diejenigen, die sich über “Brigitte” und Co. beim NSU-Prozess lustig machen eines: Das ist nunmal das Risiko eines Losverfahrens, das fast alle wollten. Dem Gesetz nach gibt es halt keinen Unterschied zwischen SZ oder FAZ und “Brigitte” oder “Hallo München”. Jeder, der fordert, dass so eine Unterscheidung gemacht wird, der will ein Verfahren welches nichts mehr mit Rechtsstaatlichkeit zu tun hat.

Volljurist und arbeitslos

In eigener Sache: Mit der heute bestandenen mündlichen Prüfung habe ich die zweite juristische Staatsprüfung im Termin 2012/II mit der Gesamtnote 7,25 – befriedigend – bestanden. Das bedeutet, ich darf mich ab jetzt (gem. § 68 II JAPO) offiziell “Rechtsassessor” bzw. “ass. jur.” nennen.

Es bedeutet leider auch, dass ich ab heute offiziell arbeitslos bin. Ohne “Vitamin B”, wie viele meiner Kollegen, die bereits Stellenangebote erhalten haben, muss ich leider auf althergebrachte Art eine Stelle suchen. Wenn jemand also etwas in München weiß, so wäre ich dankbar für jeden Tipp 🙂

Nichtsdestotrotz, ich bin mal feiern! 😀

BverfG: Keine Videoübertragungsentscheidung bzgl. NSU-Prozess

Die 3. Kammer des zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts hat mit einem heute veröffentlichen Beschluss bereits gestern eine Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen, mit der fünf Nebenkläger eine Videoübertragung im NSU-Prozess erreichen wollten.

Begründet hat das Gericht dies formell damit, dass die Nebenkläger nicht begründet hätten, wieso sie durch die Ablehnung der Videoübertragung in ihren Rechten verletzt sein sollen, da sie ja alle ob ihres Status als Nebenkläger berechtigt sind, den Prozess im Saal zu verfolgen.

Dennoch wird in dieser Entscheidung – da das BVerfG auf ein obiter dictum verzichtet hat – auch zumindest eine gewisses Indiz dafür zu sehen sein, dass auch das Verfassungsgericht die Videoübertragung in andere Säle nicht ganz so rechtlich unbedenklich sieht, wie manche Juristen es darstellen möchten.

Bundesverfassungsgericht: Antiterrordateien grds. verfassungsgemäß und bis Ende 2014 in Kraft

Das Bundesverfassungsgericht hat heute entschieden, dass ein Antiterrordatengesetz grundsätzlich mit der Verfassung vereinbar sei, das konkrete Gesetz vom 22. Dezember 2006 ist jedoch in mehreren Fällen mit dem Grundgesetz unvereinbar.

Wieder einmal hat das Gericht leider die Möglichkeit genutzt, dem Gesetzgeber Zeit zur Neuregelung einzuräumen. Bis 31. Dezember 2014 hat der Gesetzgeber dafür Zeit – also lange nach der Bundestagswahl dieses Jahr. Das erlaubt der Regierung, die verfassungswidrigen Vorschriften noch fast zwei Jahre lang künstlich am Leben zu halten – das ist unnötig und zeigt, dass das Gericht keinen großen Druck sieht, dass ein verfassungsgemäßer Zustand hergestellt wird. Bereits bei der Neuregelung des Bundeswahlgesetzes hat sich ja gezeigt, wozu solche laxen Fristen führen…

(Teil-)Freispruch beim auf § 31 BtMG gestützten Verfahren

Heute war der dritte (und zum Glück letzte) Verhandlungstag im Fall von dem ich hier berichtet habe. Neue Zeugen gab es nur eine, die bezüglich des AMG-Vorwurfs gegen den Angeklagten (Punkt 4. der Anklage) mehr schlecht als recht wiederholt hat, was der Zeuge L., der beim letzten Mal geschwiegen hatte, denn so bei der Vernehmung gesagt hat. Sonst gab es kaum was neues, so dass plädiert werden konnte. Die Vertreterin der Staatsanwaltschaft – die sich (Respekt!) sichtlich kurz vorm Entbindungstermin die Mühe gemacht hat, persönlich anwesend zu sein – sah den Angeklagten vollkommen überführt an, auch die Glaubwürdigkeit der Zeugen S. und L. sah sie als gegeben an und forderte 3 Jahre Freiheitsstrafe.

Die Verteidigerin, die ich begleitet hatte, sah dies naturgemäß etwas anders und forderte Freispruch, da die Zeugen S. und L. ja vor Gericht eben nichts gesagt hatten und aber – gerade bei Zeugen im Rahmen des § 31 BtMG – ein besonders hoher Maßstab anzulegen ist, wenn die Zeugen nicht befragt werden können (vgl. BGH NStZ 2004, 691). Außerdem wurden beim Angeklagten keine BtM gefunden und der Zeuge S. wurde in einem anderen Verfahren (nämlich dem, von dem ich hier berichtet habe) zweifelsfrei der Lüge im Rahmen des § 31 BtMG überführt. Die Verteidigerin forderte daher naturgemäß Freispruch.

Ganz wollte das Gericht dem nicht folgen – was den AMG-Vorwurf anging wurde der Angeklagte verurteilt. Im größten Teil der Anklage – nämlich den gesamten BtM-Vorwürfen des Herrn S. (inklusive eines angeblichen Kaufs von 300 kg Kokain) – wurde er jedoch freigesprochen, da auch das Gericht Zweifel an der Glaubwürdigkeit des Herrn S. hatte. Damit war der Angeklagte (neben dem bereits im März freigesprochenen Mitbeschuldigten, über den ich damals berichtet habe, und einem Mitbeschuldigten, der in Österreich freigesprochen wurde) der dritte der allein aufgrund der Verdächtigungen des Herrn S. verfolgt wurde und wo diese sich als nicht haltbar erwiesen haben. Zwei weitere Mitbeschuldigte warten noch auf ihre Verhandlungen.

PS: Herr S. hat nur bei der Polizei und in seiner eigenen Verhandlung sowie in Österreich ausgesagt, jedoch nie als Zeuge vor einem deutschen Gericht, so dass seine Aussagen von § 153 StGB nicht erfasst werden. Ein Schelm, der Böses dabei denkt.

Lesehinweis: Der Gebührenverzicht – in der Partnerschaftsgesellschaft aufgepasst

Die Partnerschaftsgesellschaft (PartG), geregelt im PartGG, gilt für einige Anwälte als ein Mittel, die Vorteile einer Bürogemeinschaft mit denen einer gemeinsamen Kanzlei zu verbinden, insbesondere da § 8 II PartGG zulässt, dass einzelne Partner allein haften für ihre Fehler und nicht die Partnerschaftsgesellschaft.

Jedoch lauern auch bei der vermeintlich vorteilhaften Partnerschaftsgesellschaft Fallstricke. Detleff Burhoff stellt einen solchen im Rahmen eines Urteils des OLG Hamm vom Dezember 2012 vor unter Der Gebührenverzicht – in der Partnerschaftsgesellschaft aufgepasst.

Erfahrungen sammeln nur mit Einzelsprechschein erlaubt

Es klingt etwas absurd, aber wenn ein Rechtsreferendar – wie ich – seinen Ausbildungsanwalt / seine Ausbildungsanwältin zu Ausbildungszwecken in die Justizvollzugsanstalt München-Stadelheim begleiten möchte, um dort die Mandanten zu besuchen, die in Untersuchungshaft sitzen, dann muss für jeden einzelnen Besuch und jeden einzelnen Mandanten ein Sprechschein (Einzelsprechschein) für den Rechtsreferendar beantragt und bewilligt werden. Das bedeutet quasi, dass wenn der Anwalt / die Anwältin, den Rechtsreferendar, der ja ihm/ihr zugewiesen wurde, damit er praktische Erfahrungen sammeln kann, dies nur tun kann, wenn die Staatsanwaltschaft (der die Ausführung des § 119 StPO gem. § 119 II 2 StPO meist übertragen wurde) dem zustimmt.

Ich weiß nicht, wie es anderen geht, aber ich finde es etwas widersprechend, dass das bayerische Justizministerium einerseits in § 44 JAPO vorschreibt:

Der Vorbereitungsdienst hat das Ziel, die Rechtsreferendare mit den Aufgaben der Rechtspflege und der Verwaltung vertraut zu machen und dadurch in die Verwirklichung des Rechts einzuführen. Am Ende der Ausbildung sollen die Rechtsreferendare in der Lage sein, in der Rechtspraxis, so weit erforderlich nach einer Einarbeitung, eigenverantwortlich tätig zu sein und den vielseitigen und wechselnden Anforderungen der Gesellschaft gerecht zu werden.

aber andererseits es extrem verkompliziert wird, dass Rechtsreferendare tatsächlich diese Ziele erreichen.

In meinem Fall hat das z.B. bedeutet, dass ich beim letzten JVA-Besuch am Dienstag bei einem von drei Mandanten draußen warten musste, weil der Sprechschein nicht rechtzeitig beantragt werden konnte. Obwohl ich mich mit dessen Akte vielleicht sogar mehr beschäftigt habe als meine Ausbilderin…

WordPress?

Wer auf blog.sowhy.de geht, wird hierher umgeleitet. Wieso? Keine Panik, es ist kein Virenangriff o.ä. – nur langsame alte Software. Nachdem der Blog leider nicht mehr gut läuft, habe ich mich entschieden, vorerst auf diese Plattform zu wechseln. Im Rahmen meiner beruflichen Findung steht eine Neustrukturierung meines Webauftritts wohl eh an, aber dies ist noch nicht klar. Sobald ich mehr weiß, werde ich auch Bescheid geben.